Ein frischer Erdrutsch nahe Chomrong im Himalaja in Zentral-Nepal. Auf weiter zurück liegende Erdwegungen lässt sich aus den Sedimenten der Bergflüsse schließen.

Foto: David M. Whipp

Im Gebirge und hügeligen Landstrichen werden Erdrutsche häufig durch extreme Niederschläge oder Erdbeben verursacht. Wissenschafter vermuten etwa, dass das Erdbeben in Nepal im April 2015 mit einem Wert von 7,8 auf der Richterskala und seine Nachbeben mehr als 25.000 Erdrutsche ausgelöst haben. Schwieriger als die Folgen solcher dramatischen Einzelereignisse zu bestimmen ist es jedoch, den langfristigen Umfang von Erdbewegungen in einer Region zu abzuschätzen.

Solche Erhebungen helfen Forschern zu verstehen, wie sich die Topografie herausgebildet hat und wie die Risiken durch neue Erdrutsche einzuschätzen sind. Denn in Regionen wie dem Himalaja zählen Erdrutsche für die dort lebenden Menschen zu den größten natürlichen Gefahren.

Alter und Herkunft von Flusssedimenten

Bisher hatte man kaum Ansatzpunkte, um Erdbewegungen genauer zu erfassen. Nun ist es einem Team um David Whipp von der Universität Helsinki und Todd Ehlers von der Universität Tübingen gelungen, Daten zum Alter und der Herkunft von Flusssedimenten zu bestimmen und daraus den Umfang der Erdrutsche in der jeweiligen Region zu rekonstruieren. Außerdem konnten sie feststellen, dass die Sedimente, die aus Erdrutschungen in Bergflüsse gelangen, in der Regel nur wenige Jahre bis Jahrzehnte liegen bleiben, bis sie flussabwärts weggespült werden. Ihre Ergebnisse wurden nun im Fachjournal "Science Advances" veröffentlicht.

Während Flüsse und Gletscher über einen langen Zeitraum stetig das Gestein auswaschen, gehören Erdrutsche zu den regellosen, stochastischen Prozessen, die aber stark zur Erosion und Sedimentation in einer Region beitragen können. "In steilen Bergregionen wie dem Himalaja könnten sogar mehr als die Hälfte des Gerölls in den Flüssen aus Erdrutschen stammen", beschreibt Ehlers, Koautor der Studie, eins der Resultate. "Unser Ansatz basiert ganz einfach darauf, aus einer Handvoll Sand aus dem Fluss über chemische und physikalische Messungen das Alter und die Herkunft der Sedimente festzustellen", erklärt er.

Isotopenverhältnisse und Erfahrungswerte

Gestein, das ursprünglich aus dem Erdinnern stammt, kühlt über die Jahrtausende auf dem Weg an die Erdoberfläche immer weiter ab. Unterhalb fester Temperaturgrenzen schließt das Gestein die Isotopenverhältnisse bestimmter Elemente, also der Verteilung von Atomkernen mit unterschiedlicher Masse, ein. Diese verändern sich nicht mehr. Über die Messung der Isotopenverhältnisse in Verbindung mit umfangreichen bestehenden Erfahrungswerten zur Verteilung der Elemente im Gestein können die Wissenschafter mithilfe von Computersimulationen Aufschluss über das Alter und die Herkunft der Flusssedimente gewinnen.

Daraus wiederum können sie die Erdbewegungen in der Region stromaufwärts von der Stelle der Probennahme auch quantitativ rekonstruieren. In früheren Studien sei es nicht möglich gewesen zu bestimmen, wie oft Erdrutsche auftreten und welchen Anteil sie an der Erosion im Vergleich mit anderen Erosionsprozessen wie Flüssen oder Gletschern haben. "Wir konnten in unserer Studie diese Grenzen überwinden", sagt Ehlers.

Überraschend schneller Abtransport

Durch Messdaten, die aus Proben von der gleichen Entnahmestelle stammen, aber in zeitlichem Abstand gewonnen wurden, konnten die Forscher auch die Verweildauer der Sedimente im Fluss errechnen. "Das Sediment in diesen steilen Gegenden wird überraschend schnell stromabwärts transportiert", sagt Whipp, Hauptautor der Studie. "Während Sedimente in vielen Flusssystemen für Zehntausende von Jahren abgelagert werden, legen unsere Ergebnisse nahe, dass das Geröll in den steilen Bergen des Himalajas nicht länger als zehn Jahre im Flusssystem bleibt." Diese Befunde lassen die immensen Kräfte des Wassers erkennen, das in den Bergen des Himalajas in der jährlichen Monsunzeit riesige Sedimentmassen flussabwärts transportiert. (red, 26.4.2019)