Jean-Leon Gérome fühlte anno 1866 den Bedürfnissen seiner Kundschaft auf den Zahn: "Der Sklavenmarkt" imaginiert einen schauerlichen Orient.

Foto: Clarke Art Institute

Dem französischen Salonmaler Jean-Leon Gérôme wurde 115 Jahre nach seinem Ableben eine zweifelhafte Ehre zuteil. Sein Ölbild "Der Sklavenmarkt" (1866) ziert dieser Tage die Europawahlplakate der AfD. Das Schwulstgemälde zeigt eine unbekleidete, hellhäutige Frau. Nun wird der Nackten von muslimischen Männern reichlich zudringlich auf den Zahn gefühlt.

Man geht gewiss nicht fehl in der Annahme, Monsieur Gérôme habe sich und seinen finanziell hochpotenten Auftraggebern einen anrüchigen Kick bescheren wollen. Unschöne Gepflogenheiten, wie sie in der Zeit des europäischen Imperialismus leider keine Ausnahme waren.

Angst vor "Eurabien"

Noch unschöner ist der Missbrauch des widerwärtigen Sujets durch den Kreativdirektor der AfD, den Literaten Thor Kunkel. Der aus Frankfurt gebürtige Werber versah das Gepinsel mit folgendem Slogan: "Damit aus Europa kein ,Eurabien‘ wird!‘" Laut Spiegel richtet sich das übergriffige Plakat an "rechtskonservative Kreise und Gegner des Gutmenschentums". Gérôme zeige, so Kunkel, "mit unterkühltem Pinsel, was sich in der Silvesternacht auf der Kölner Domplatte abgespielt hat".

Gérôme würde seinem so vorbildlich kühl gehaltenen Pinsel wohl noch heute lieber jede Borste ausziehen, als freiwillig für die AfD in die EU-Wahlschlacht zu ziehen. Kunkel aber dürfte bewusst ein dentales Motiv gewählt haben. Sein erster Auftraggeber als Werber war Kukident. Damit er auch heute noch kraftvoll lostexten kann. (Ronald Pohl, 27.4.2019)