Jens Ole Schmieder bestreitet den Abend fast im Alleingang. Er wuchtet das Gipsbein über die vermüllte Bühne, schimpft über die Welt, badet in Blut. Dann und wann schauen Frau und Sohn zum Streiten vorbei.

Foto: Alexander Gotter

Ein Vergaser allein reicht nicht, damit die Karre fährt. Das Auto des Jungbauern ist kaputt. Es trägt ihn nicht mehr fort vom Land, stattdessen trägt er jetzt die Einzelteile der schnittigen roten Karosserie auf die Bühne. Es braucht einen "Vergaser, der vergast", formuliert der junge Mann seine technische Not.

Doch nicht nur der streikende fahrbare Untersatz "hat einen Schmerz" und die Welt "nicht mehr ausgehalten", wie es in Werner Schwabs Stück Mein Hundemund heißt, sondern auch dessen drei Protagonisten.

Man könnte analog zum vergasenden Vergaser feststellen: Damit die Welt ein erträglicher Ort ist, reichen Menschen allein nicht – es braucht Menschen, die auch tatsächlich menscheln. Der Bauer (Jens Ole Schmieder) als die monologisierende Hauptfigur des Abends kennt solche aber nicht. Seine Familie und die Welt ekeln ihn an.

Zerzaust und mit einem Bein im Gips und dem anderen in einem Gummistiefel humpelt er über die Bühne und bricht Schwabs knorrig verworrene Sätze manisch hervor. Täglich quält ihn das Unerträgliche. Mit leuchtenden Augen erzählt er sich selbst also Gedichte.

Traum vom "Weltpräsidenten"

Seine Sehnsucht nach Zusammenhang reicht über die gebundenen Worte hinaus sogar bis zu einem "Weltpräsidenten". Nicht nur als der Grazer Dramatiker Schwab Anfang der 1990er am Höhepunkt seines Erfolgs dieses Stück schrieb, war ein solcher Völkerverbinder bloß ein frommer Wunsch.

Eindreiviertel Stunden lang dauert im Wiener Werk X-Petersplatz dieser Abgesang. Der erst 24-jährige Regisseur Alexandru Weinberger-Bara hat auch die Kulisse gestaltet. Das Gras ist laut Schwab ausgezehrt, die Wölfe ausgerottet. Weinberger-Bara hat die Bühne ausgeschlagen mit Planen und übersät mit Müllsäcken und bunten Schnipseln. Ein Leben mitten im "Weltgerümpel". Vorn in der Ecke steht dazu noch eine Wanne, vollgefüllt mit Blut, seiner Lumpenkleider entledigt, setzt sich der Bauer hinein.

Schwabs wortspielerischen Texten ist von Haus aus nur mit Konzentration zu folgen. Leider reicht der etwas monotone Abend seinem Publikum trotzdem nicht die Hand. Schmieders Kraftakt, seine Tiraden aufzusagen, dringt irgendwann nicht mehr durch.

Düngerkot für das Grab des Vaters

Im Vergleich dazu geradezu erholsam und höchst vergnüglich geraten dagegen die abwechselnden kurzen Auftritte der Frau (Sonja Kreibich) und des Sohnes (Benjamin Vanyek).

Kreibich ist in ihrer Kittelschürze, mit den Nylonsocken in den weißen Patschen, dem hantigen Blick und der geflochtenen orangenen Frisur ein Hingucker. Ihr und Vanyek lauscht man gern, wenn sie das "reine Essgeschirr" verbal in die "unbefleckte Kredenz" räumt oder er seinen Düngerkot auf des Vaters Grab setzt, bis es einbricht.

Sobald der Gatte beerdigt ist, zieht Kreibich unter ihrem nun angelegten schwarzen Tauerkittel erlöst die gelben Gummihandschuhe hervor, um seinen Mief wegzuschrubben – von solchen szenisch originellen Aktionen gibt es leider zu wenige. (Michael Wurmitzer, 26.4.2019)