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Robert Habeck, seit 2018 Chef der deutschen Grünen, kommt nicht nur bei den Frauen gut an. Er ist der beliebteste Politiker im Land.

Foto: Isa Foltin/Getty Images for Brigitte

Eine dezent beleuchtete Bühne, bequeme Stühle, die Mikrofone liegen bereit, Wasser steht auch da. Auf den ersten Blick deutet am Donnerstagabend im Berliner Gorki-Theater alles auf eine der unzähligen Hauptstadtveranstaltungen hin.

Und da sitzt ja auch Grünen-Chef Robert Habeck und erzählt freimütig, dass er neulich auf einer Veranstaltung in Mainz keine Ahnung von der Doppelbesteuerung hatte – was ziemlich peinlich war. Da habe er sich echt über sich selbst geärgert. Denn er versuche schon die selbstkritische Reflexion, sagt der deutsche Grünen-Chef und schiebt ein hörbar bedauerndes "Aber" nach: "Das Berufsfeld des Politikers ist für Selbstkritik nicht vorbereitet. Alle finden sich immer toll."

Einblicke in eine Politikerseele, dem Publikum gefällt das. Auf der Bühne steht außerdem ein Schild, das auch noch verrät, dass es sich um einen Talk der etwas anderen Art handelt. Die mauvefarbenen Sitzgelegenheiten nämlich, so erfährt man, stammen aus der "Schöner Wohnen"-Kollektion. Geladen hat die deutsche Frauen-Zeitschrift Brigitte.

"Ich fühle mich wohler"

Regelmäßig bittet sie Spitzenpolitiker zum Gespräch, und dabei ist ihr ein echter Coup gelungen. Kanzlerin Angela Merkel räumte bei "Brigitte live" nicht nur ein: "Seit nicht mehr über meine Haare gelästert wird, fühle ich mich wohler." Sie gab dort auch ihren langjährigen Widerstand gegen die "Ehe für alle" auf.

Die Messlatte liegt also hoch, irgendwas muss dem Phänomen Habeck entlockt werden. Phänomen deshalb, weil ihn nur jeder zweite Deutsche kennt, er aber der beliebteste Politiker ist und mittlerweile Merkel verdrängt hat.

Frage nach AKK oder AKW

Zunächst gibt es ein paar Aufwärmrunden. Habeck darf zwischen den Stichworten "AKK" und "AKW" wählen, wobei der 49-Jährige nicht über CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer reden will, sondern lieber darüber, dass der Super-GAU von Tschernobyl für seine Generation so prägend war wie der Klimawandel für die Fridays-for-Future-Generation heute ist.

"Wäre es ein Rückschritt, wenn nach Merkel ein Mann Kanzler wird?", fragt irgendwann Brigitte-Chefredakteurin Huber, deren Vorname tatsächlich Brigitte lautet. Habeck stockt kurz, er weiß natürlich, dass er trotz der guten persönlichen und politischen Umfragewerte nicht abheben darf, dass die Frage aber natürlich auf ihn gemünzt ist.

"Ist das Land bereit für einen männlichen Kanzler?", fragt er schmunzelnd zurück und weicht dann aus, sagt, dass es schon ein "Rückschritt" wäre, wenn wieder "eine rot-grüne Männerriege" wie damals unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer den Ton in der Regierung angäbe.

25 Prozent für Habeck

"Können Sie Kanzler?", fragt Huber nach. Ein bisschen sieht man Habeck an, dass er sich den Job natürlich zutraut. Er ist damit ja auch nicht allein. Bei einer Direktwahl würden laut Forsa 25 Prozent der Deutschen den Grünen-Chef zum Kanzler wählen. Er liegt damit nur knapp hinter Kramp-Karrenbauer (28 Prozent).

Doch Habeck sagt: "Wir brauchen eine starke Regierung, meine Partei versucht, diese Stärke zu entwickeln." Doch angesichts der vielen Probleme – "wir verpennen den Klimawandel" – sollte man sich auf Inhalte konzentrieren. Zudem hat er "Bock auf das, was ich gerade mache".

Es gibt also keinen "Merkel-Moment" bei der Brigitte. Doch einige meinen, bezüglich der Kanzler-Ambitionen doch aus Habecks Aufzählung von Vorbildern etwas heraushören zu können. Albert Camus habe ihm als junger Mann imponiert, sagt er, auch der Mut des Studentenführers Rudi Dutschke. Und Robin Hood, der in einem Film von Disney als Fuchs dargestellt wird. Der habe für eine gute Sache gekämpft, sei aber auch sehr "schlitzohrig" gewesen. (Brigitte Baumann, 27.4.2019)