Wien/Frankfurt – Der scheidende Nationalbank-Vizegouverneur Andreas Ittner will sich um einen Posten im Aufsichtsgremium der Europäischen Bankenaufsicht, des Single Supervisory Mechanism (SSM), bewerben. "Es ist etwas, was ich mir zutraue und wo ich glaube, dass ich auch einen Beitrag auf europäischer Ebene leisten kann", sagte Ittner am Montag im Klub der Wirtschaftspublizisten in Wien.

Ausgeschrieben seien drei von der EZB zu nominierende Positionen im Supervisory Board, erklärte Ittner. Das Supervisory Board bestehe aus den Leitern der nationalen Aufseher der 19 Euroländer und sechs europäischen Vertretern. "Davon ist einer der Chair, einer der Vice Chair, der aus dem EZB-Direktorium kommen muss, und vier weitere. Von den vier ist einer besetzt und drei sind ausgeschrieben."

Ittner sitzt derzeit schon neben dem scheidenden FMA-Vorstand Helmut Ettl als Vertreter der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) im Supervisory Board des SSM. Das ist möglich, wenn ein Land als nationale Aufsichtsbehörde nicht seine Zentralbank benennt. Dann kann neben dem Vertreter der betreffenden Aufsichtsbehörde auch ein Vertreter der jeweiligen Nationalbank an den Sitzungen teilnehmen – bei Abstimmungen zählt aber nur eine Stimme, in dem Fall jene des FMA-Vertreters.

"Finanzkrise bleibt spürbar"

Obwohl es durch die Einführung einer grenzüberschreitenden Bankenaufsicht einen "institutionellen Quantensprung in Europa" gegeben habe, "bleibt die Finanzkrise nach wie vor spürbar", nicht nur in der Realwirtschaft, sondern auch im Bankenbereich, sagte Ittner im Klub der Wirtschaftspublizisten. "Kaum eine Bank in Europa notiert über ihrem Buchwert."

Lange Zeit sei bei der Bankenaufsicht nur eine Verbesserung der Vernetzung der nationalen Strukturen im internationalen Fokus gestanden, sagte Ittner. Mit dem einheitliche Bankenaufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) hätten die systemischen Banken eine integrierte und grenzüberschreitend agierende Aufsicht bekommen. Im SSM würden 82 Prozent der konsolidierten Bilanzsumme direkt beaufsichtigt, "in Österreich sind es inklusive Bank Austria ungefähr 60 Prozent".

Der österreichische Bankensektor stehe nach der Finanzkrise gut da, meinte Ittner, "insbesondere, wenn man ihn mit den restlichen Banken im SSM vergleicht". Die harte Kernkapitalquote ("core equity tier-1/CET-1") der österreichischen Großbanken betrage 14 Prozent und sei damit etwa so hoch wie im SSM, die Rentabilität (Return on Assets, RoA) sei mit 0,8 Prozent doppelt so hoch wie im SSM und die NPL-Quoten (notleidende Kredite) würden kontinuierlich sinken.

Dennoch sei es "nicht gelungen, die Kosten-Ertrags-Relation (CIR) im Bankensektor relevant zu reduzieren". Die gestiegene Profitabilität sei vorwiegend auf die gesunkenen Risikovorsorgen zurückzuführen. Der "Brennpunkt" auf den man sich konzentrieren müsse, seien die Kosten.

Unberechenbare Risiken

Trotz der Fortschritte gelte es weiterhin wachsam zu sein, Risiken seien heute wegen des Zusammenspiels vieler verschiedener Faktoren nicht mehr berechenbar. "Wir müssen flexibel aufgestellt sein, um die Entwicklungen, die sich aus der Globalisierung ergeben, abschätzen zu können – und das macht man am besten durch die stärkere Anwendung von Szenario-Analysen." Die Antwort auf überregionale Risiken könne keine rein nationale sein, gerade ein wirtschaftlich offenes Land wie Österreich brauche europäische Lösungen wie den SSM.

Die OeNB werde auch nach der Reform der Finanzmarktaufsicht ein wesentlicher Player auf dem Finanzmarkt sein, sagte Ittner, "eine effektive Partnerschaft in der Zusammenarbeit mit der FMA wird wesentlich sein", insbesondere für kommende Krisen. "Da sehe ich auch eine besondere Rolle der OeNB – die OeNB wird der natürliche Kompetenzpartner zur Früherkennung von Risiken und zur strategischen Weiterentwicklung des Finanzmarktes sein".

Was er von der Reform und von der Konzentration der Aufsichtsagenden bei der FMA hält, kommentierte Ittner zurückhaltend. "Diese Regierung hat eine Entscheidung getroffen. Die ist noch nicht durchs Parlament durch. Es ist das legitime Recht jeder Regierung, die Aufsicht so zu strukturieren, wie sie es für bestmöglich erachtet." Daher werde die Nationalbank auch sehr konstruktiv an der neuen Konstellation mitarbeiten. Soweit er die neue Struktur jetzt kenne, werde das "eine relevante Herausforderung" sein. (APA, 29.4.2019)