Japans Kaiser Akihito (rechts) wird am Dienstag in einer zehnminütigen Zeremonie abdanken. Kronprinz Naruhito (links) hat bereits angekündigt, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten.

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Nur zehn Minuten wird am Dienstag um 17 Uhr (10 Uhr MESZ) das Ritual der Abdankung dauern, dann endet die Epoche von Kaiser Akihito. Sein Regierungsmotto "Heisei" – "Frieden schaffen" – hat der Tenno in 30 Jahren Regentschaft auf ganz eigene Weise verwirklicht: Zusammen mit seiner Frau Michiko wurde der Monarch zum Tröster der Japaner und zum Gewissen der Nation.

Eine gute Zeit waren die Heisei-Jahre nicht. Das Wirtschaftswunder endete, die soziale Ungleichheit wuchs, Japans Staat verschuldete sich wie kein anderer. Ein Erdbeben in Kobe und ein Tsunami im Nordosten kosteten Zigtausende das Leben. Der Giftgasanschlag der Sekte Aum und die Atomkatastrophe von Fukushima erschütterten das Selbstvertrauen der Japaner. 17 Premierminister kamen und gingen. Während dieser Dauerkrise sorgte Akihito für Konstanz und gewann durch die Öffnung seiner Institution an Profil. "Er hat den früher undurchdringlichen Bambusvorhang um das Kaiserhaus abgeschafft", sagt Tenno-Experte Ernst Lokowandt.

Nicht mehr göttlich

Als Akihito im Januar 1989 den Chrysanthementhron bestieg, steckte das Kaisertum in einer Sinnkrise. Sein Vater Hirohito, der Japan in den Weltkrieg geführt hatte, musste seiner Göttlichkeit entsagen. Die neue Verfassung stufte ihn vom absoluten Monarchen zum "Symbol von Staat und nationaler Einheit" herab. Doch erst sein Sohn Akihito setzte die Vorgabe um. Anstatt im Palast zu bleiben und als oberster Priester der Shinto-Religion still für das Volk zu beten, ging er zu den Menschen, suchte die Nähe von Katastrophenopfern, Behinderten, Leprakranken und sozial Benachteiligten. In legerer Kleidung kniete sich das Kaiserpaar zu ihnen nieder, fasste ihre Hände und fand warmherzige Worte. Das schockte die Konservativen, aber begeisterte Volk und Medien. Zweimal wandte sich der Tenno über das Fernsehen an die Nation. "Akihito war ein revolutionärer Kaiser", sagt der Buchautor Makoto Inoue.

Aufarbeitung des Kriegs

Akihito suchte Wege, den Angriffskrieg des Vaters aufzuarbeiten. Bis heute hadert die konservative Elite mit Japans Verantwortung und Schuld für den Krieg im Pazifik. Anders als Premier Shinzo Abe und viele Nationalisten besuchte Akihito nie den Yasukuni-Schrein, der verurteilte Kriegsverbrecher ehrt. Für den Krieg entschuldigen konnte er sich nicht, das Kaisergesetz verbietet politische Aussagen. Bei Besuchen von Kriegsgegnern und Schlachtfeldern des Weltkriegs zeigte er "tiefe Reue und Schmerzen" und betete für alle Kriegsopfer.

Als Abe am 70. Jahrestag des Kriegsendes 2015 nicht einmal von "Bedauern" sprach, betonte der Kaiser Japans "tiefe Selbstkritik". Dies wurde als Korrektur von Abe empfunden, meint der Historiker Torsten Weber. Jedoch soll das Hofamt Akihitos Wunsch blockiert haben, auch Südkorea und die Mandschurei in Nordostchina zu besuchen. Wegen der Zwangsprostituierten für die Kaiserarmee und anderen Kriegsverbrechen war der Politik das Risiko eines Besuchs angeblich zu hoch. "Akihito galt als nicht linientreu", sagt der Historiker Weber.

Kritik an Verfassungsreform

Gegen die von Abe angestrebte Verfassungsreform weg vom Pazifismus leistete das Kaiserpaar indirekten Widerstand. Kurz nach der Wahl von Abe Ende 2012 thematisierte Kaiserin Michiko eine in den 1880er-Jahren diskutierte Verfassung mit den gleichen liberalen Bürgerrechten wie in der heutigen Verfassung. Damit widersprach sie indirekt dem Reformargument Konservativer, wonach die Verfassung von 1947 keine japanischen Werte enthalte, weil sie von den US-Besatzern stammt. Ab 2016 verhinderte die Vorbereitung des Thronwechsels, dass Abe seine Verfassungsreform vorantreiben konnte.

Mit seiner Abdankung will der Monarch Gegner davon abhalten, seine Arbeit unter dem Vorwand von Alter und Gesundheit einzuschränken oder ihn zu ersetzen. Darunter würden Popularität und Einfluss des Kaisers leiden, befürchtete Akihito. "Durch die Abdankung kann er seine Aktivitäten unangetastet an seinen Sohn übergeben", sagt Experte Hideya Kawanishi von der Uni Nagoya. Tatsächlich versprach Kronprinz Naruhito im Februar, in die Fußstapfen seiner Eltern zu treten. Ähnlich bescheiden und zurückhaltend wie sein Vater, dürfte auch der 59-Jährige beim Volk gut ankommen. Aber seine Popularität könnte laut dem Historiker Sven Saaler von der Sophia-Universität davon abhängen, ob seine beliebte Ehefrau Masako sich ganz von ihrer Krankheit erholen und mit Naruhito auftreten kann. (Martin Fritz aus Tokio, 29.4.2019)