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Die zweifache 800-m-Olympiasiegerin Caster Semenya aus Südafrika erscheint zwecks Anhörung beim Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne.

Foto: AP/ Laurent Gillieron/Keystone

Lausanne – Die Leichtathletik blickt am Mittwoch gespannt nach Lausanne – und auch die übrige Sportwelt wird ganz genau hinschauen, wenn der Internationale Sportgerichtshof CAS sein Urteil im "Fall Caster Semenya" bekannt gibt. Nach einer jahrelangen, kontroversen und teilweise geschmacklosen Debatte entscheidet der CAS über die "Testosteron-Regel" des Weltverbandes IAAF, gegen die die zweimalige 800-m-Olympiasiegerin geklagt hatte.

Nach der geplanten Regel dürfen Frauen, wenn sie auf bestimmten Strecken (400 m bis Meile) international starten wollen, einen Grenzwert für körpereigenes Testosteron von fünf Nanomol pro Liter nicht überschreiten. Semenya forderte während der mehrtägigen Verhandlung im Februar, dass "sie und andere Frauen", die von den Vorschriften betroffen wären, "ohne Diskriminierungen in der Frauen-Klasse starten sollten". Die Regel der IAAF stelle "einen weiteren fehlerhaften und verletzenden Versuch" dar, "das weibliche Geschlecht zu überwachen".

Hohe Werte, uneinholbare Vorteile

Denn was wie eine mittelmäßig verständliche medizinische Vorgabe daherkommt, ist seit Jahren Gegenstand erbitterten Streits. Athletinnen mit "Differences of Sexual Development" (DSD) müssten ihren Testosteronwert mit Hilfe von Medikamenten senken. Ihre Werte sind auf natürliche Weise zumeist deutlich erhöht. Dadurch, so argumentiert die IAAF, hätten Athletinnen wie Semenya uneinholbare Vorteile gegenüber ihren Konkurrentinnen.

Das Dilemma: Kann man einen kleinen Teil von Sportlerinnen zur Einnahme von Medikamenten zwingen, damit der große Teil mehr Chancen hat? Was ist mit möglichen Spätfolgen der Medikation? Geht es nicht beim Sport immer darum, körperliche Vorteile in Erfolg umzumünzen? Aber: Könnten nicht bald nur noch Frauen mit erhöhtem Testosteronwert in bestimmten Disziplinen Chancen auf Erfolg haben?

Vergleiche mit Bosman-Urteil

Die englische Tageszeitung The Guardian verglich die möglichen Auswirkungen bereits mit dem Bosman-Urteil im Fußball. Von einem "monumentalen Urteil für die Zukunft des Frauensports" sprach IAAF-Präsident Sebastian Coe. "Es geht ganz einfach darum, dass weibliche Athleten an Wettkämpfen teilnehmen und einigermaßen davon überzeugt sein können, dass sie in einem fairen Konkurrenzfeld starten. Im Moment ist das nicht der Fall", sagte Coe der ARD.

Die Emotionen kochen jedenfalls schon hoch: Politiker aus Semenyas Heimatland Südafrika protestierten gegen "verkleideten Hass", der UN-Menschenrechtsrat verabschiedete eine Resolution. Ihr Kampf gehe "weit über die Leichtathletik hinaus", sagte ihr Landsmann und 400-m-Olympiasieger Wayde van Niekerk: "Sie kämpft für Frauen im Sport, in der Gesellschaft, und ich respektiere sie dafür."

Eingriff in Persönlichkeitsrechte

Doch egal, wie die Entscheidung ausgeht, es bleibt fraglich, ob es in dieser komplizierten Sachlage überhaupt Gewinner geben kann. "Es gibt viel zu bedenken. Es geht um tiefe Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte. Was allerdings wichtig ist: Man darf niemanden davon ausschließen, Sport zu treiben", sagte Ulrike Spitz vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) dem SID.

Die Debatte hatte seit ihrem WM-Sieg 2009 in Berlin Semenyas Karriere begleitet. Damals war bekannt geworden, dass sie sich sogar einem Geschlechtstest unterziehen musste. Sollte der CAS die Einführung des Grenzwertes bestätigen, könnte dies das Ende ihrer Laufbahn bedeuten.

Ehe der CAS Ende 2015 eine Neuregelung der bestehenden Vorschriften forderte, musste sie bereits ihren Testosteronwert senken – und konnte währenddessen nicht an ihre Leistungen anknüpfen. Seitdem hat sie alle ihre Rennen über 800 m gewonnen. (sid, 30.4.2019)