In Medizin-Vorlesungen ist nicht unbedingt der Bär los.

Foto: Christian Fischer

Wer heute Medizin studiert, muss gut in Multiple-Choice-Tests sein, denn ärztliches Grundwissen wird heute kaum mehr von Lehrenden abgefragt. Die Automatisierung der Ärzteausbildung ist im Studium längst Realität. Die Fragen für die Prüfungen sind standardisiert und kommen vom Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP).

Irgendwann hatten drei Studenten die Idee, eine Software zu entwickeln, die das Büffeln der Prüfungsfragen einfacher macht. Amboss ist der Name eines Programms, mit dem sich mittlerweile tausende Studierende im deutschsprachigen Raum auf die Prüfungen vorbereiten. Die große Frage für all jene, die an den Universitäten lehren: Was wird künftig die Rolle der Professoren und Dozenten an den Universitäten sein? Und wie werden Programme wie Amboss den Unterricht an Hochschulen verändern?

Abhängig machen

Schon heute gehen viele Studierende gar nicht mehr in die Vorlesungen an der Uni, sondern lernen für die Prüfungen zum Großteil allein zu Hause. Die große Sorge der Lehrenden ist, dass sich die Universitäten von der Software privater Anbieter wie Amboss abhängig machen. Hat man überhaupt die Kreativität, die Manpower und die Ressourcen, um als Universität selbst solche Programme zu entwickeln, und was würde überhaupt sinnvoll sein?

"Eines steht fest: Die Digitalisierung findet statt. Wir können sie gut finden, wir können sie schlecht finden. Nur eines sollten wir nicht machen: sie ignorieren", sagt Sebastian Kuhn, Orthopäde an der Universitätsklinik Mainz, der deshalb in Eigeninitiative das "Curriculum 4.0" entwickelt hat. In insgesamt fünf Tagen werden Studierenden die Möglichkeiten, aber auch die Gefahren durch die Digitalisierung in der Medizin vermittelt. Mobile-Health-Systeme als elektronische Lösung für die Gesundheitsfürsorge, Telemedizin und digitale Kommunikation bilden die Schwerpunkte. "Auf die innere Haltung zur Digitalisierung in der Medizin kommt es an", betont Kuhn. Mediziner, die in der Zukunft mitreden wollen, sollten sich auskennen. (Karin Pollack, 2.5.2019)