Vielfältige berufliche Möglichkeiten: hier neue, hauchdünne Elektroden, die wie ein Tattoo auf die Haut geklebt werden können und die Herztätigkeit messen.

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Seit mehr als 25 Jahren unterrichte ich an unserer Schule das Fach Informatik. Bis heute wurde es freiwillig als unverbindliche Übung angeboten, somit habe ich immer nur einen Teil der Kinder erreicht. Ab dem Schuljahr 2018/19 ist die "Digitale Grundbildung" für alle Schülerinnen und Schüler in der Neuen Mittelschule (NMS) und der Unterstufe der Allgemeinbildenden höheren Schule (AHS) verpflichtend, aber ... Genau dieses große ABER macht mir als langjährigem Informatiklehrer Kopfzerbrechen und lässt mich am System zweifeln.

Die digitalen Anwendungen und das informatische Wissen erweitern sich ständig und sind nicht erst seit gestern ein völlig neuer Wissens- und Anwendungsbereich geworden, welchem wir in der Schule in vollem Maße Rechnung tragen müssen. Leider erreichen wir auch durch die verpflichtende Digitale Grundbildung nicht alle Schulkinder, weil jede Schule auch hier ihr eigenes digitales Süppchen kochen kann. Somit werden wir nach der Pflichtschule Jugendliche mit tollen Computer- und Programmierkenntnissen sowie Kinder mit minimaler digitaler Ausbildung, nur ausgestattet mit Wisch-und-Weg-Konsumkompetenzen, zu erwarten haben.

Hehres Ziel, viele Hürden

Es ist bereits ein toller Lernzielkatalog vorhanden, den es in den derzeitigen Unterricht auf verschiedene Arten zu implementieren gilt. Einerseits wird er integrativ im laufenden Unterricht, andererseits als eigener Gegenstand angeboten. Tatsache ist, dass in beiden Fällen die zu unterrichtenden Themen auf Kosten anderer Lehrinhalte verloren gehen. Meine Erfahrung zeigt, dass für die Erreichung eines ECDL-(Europäischer-Computerführerschein-)Niveaus z. B. in Computergrundlagen, Onlinegrundlagen, Textverarbeitung, Präsentation und eventuell Tabellenkalkulation mit Übungsphasen je nach Leistungsfähigkeit mindestens 120 bis 150 Unterrichtseinheiten benötigt werden. Hierbei gelingt es aber kaum, ein wenig über den allgemeinen Tellerrand von Microsoft Office und Co zu blicken und auch Fotobearbeitung, grafische Gestaltung, Programmieren in den Unterricht einfließen zu lassen.

Ein weiterer Kritikpunkt am Schulsystem ist auch, dass einige Kolleginnen und Kollegen keine grundlegende Informatikausbildung beziehungsweise das nötige Wissen haben, um den Schülerinnen und Schülern diese Inhalte richtig zu vermitteln. Auch hier gibt es wie auf der Schülerseite Computerfreaks und reine Anwender mit geringem digitalem Anspruch. Eine flächendeckende Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte wurde und wird auch hier von der Politik und von den Pädagoginnen und Pädagogen verabsäumt.

Eine weitere haarsträubende Regelung ist die Betreuung der Computer und der IT-Ausstattung in den Mittelschulen. Die Wartung und Betreuung kann den betreffenden Lehrpersonen in Form von weniger zu haltenden Unterrichtsstunden abgegolten werden. Leider werden diese Stunden vom Gesamtstundentopf einer Schule abgezogen und gehen somit den Kindern verloren. Diese Arbeitsleistung kommt ja der gesamten Schule zu Gute – den Lernenden, den Lehrenden und den Leitenden.Als IT-Kustode hat man somit immer ein schlechtes Gewissen, denn man verhindert eigentlich durch seine administrative Arbeit wertvolle Unterrichtszeit. Besser wäre hier eine adäquate finanzielle Abgeltung in Form einer Zulage, wie sie auch Klassenvorstände oder Fachkoordinatoren in Deutsch, Englisch oder Mathematik bekommen. Aber das Zauberwort in der Bildung lautet ja "kostenneutral". Viele neue Gegenstände und zusätzliche Stunden sollen in der Schule umgesetzt werden, nur zusätzliche Kosten dürfen dabei nicht entstehen.

Fixer Unterricht!

Meine langjährige Forderung, welche ich schon an sehr viele Politiker, Entscheidungsträger und Medien herangetragen habe, lautet: Wir brauchen einen fixen Informatikunterricht, welcher mit einheitlichen Lehrzielen ausgestattet ist, der von ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet wird, der mindestens vier bis sechs Wochenstunden in der NMS und der AHS-Unterstufe verteilt auf vier Jahre unterrichtet wird und der nicht auf Kosten anderer Unterrichtsinhalte eingeplant wird.

Nur so können wir eine flächendeckende, einheitliche und zielorientierte IT-Ausbildung verwirklichen.Weiters muss in der fünften und sechsten Schulstufe der Umgang mit einer Tastatur (bisher Maschinenschreiben) erlernt werden. Das Zehnfingersystem ist eine wichtige Schlüsselqualifikation für den Umgang mit Computern.

Wirtschaft, Gesellschaft und Politik können nicht auf der einen Seite digitale Kenntnisse der Jugendlichen einfordern und auf der anderen Seite keine flächendeckende Unterrichtslösung anbieten. Zurzeit herrscht in den Schulen ein digitaler und informationstechnologischer Fleckerlteppich. Dass die Hard- und Softwareausstattung in den Schulen ein weiteres brisantes Thema ist, möchte ich hier nur am Rande erwähnen. Eine Fahrschule ohne Autos hat sich ja auch von selbst erledigt!

Wie eine USB-Schnittstelle

Als weiteren Kritikpunkt beziehungsweise Anstoß und Hinweis möchte ich an dieser Stelle noch Folgendes hinzufügen: Die vielen kleinen Arbeiterameisen, welche die tägliche Knochenarbeit verrichten, die sich übergeordnete Gremien ausdenken, verdienen den Respekt, zumindest gehört zu werden. Die Basis des Systems darf ruhig befragt und angehört werden. Die Basis weiß, wo der Schuh drückt, und genau an dieser Grundlinie spielt sich die Weitergabe des Wissens ab. Wir sind die USB-Schnittstelle, an der die Daten fließen, und wir versuchen mühsam, die Speicher zu füllen, um langfristige Algorithmen entstehen lassen zu können.

Wir wissen, wie der digitale Hase läuft! Nur fragt uns keiner. Die rasante Entwicklung in der Informationstechnologie erfordert schulisches Basiswissen. Diese Wissensvermittlung muss im Pflichtschulsystem fix verankert werden. Ein eigener Unterrichtsgegenstand ist für mich die einzig sinnvolle Lösung. (Christian Graf, 6.5.2019)