Frische Luft, gut und nachhaltig verpackt: Hans Holleins Spray zur Umweltveränderung ("Svobodair"), 1968 aus Weißblech geformt. Ein Stück aus der Sammlung Generali Foundation.

Werner Kaligofsky / Generali Found

Blüht uns die Rache der Topfpflanzen? Angesichts von Riesenfarnen, die eine Bahnhofswartehalle überwuchern, fällt es einem wieder ein: Die Natur ist imstande zurückzuschlagen. Und sei es dadurch, dass sie ihre Zerstörer mit in den Abgrund zieht. Nach dem Motto: Sterben die Bienen, macht's auch der Mensch nicht mehr lange.

Es wäre jedoch zu viel Ballast, würde man den Fotografien von Sissi Makovec gleich die ganze Umweltdebatte um den Hals hängen: Ihre Unaufdringlichkeiten und Aufdringlichkeiten in der Natur sind keine anklagenden Blicke auf das Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Sondern eher auf Absurditäten, Tarnung und Täuschung gerichtet. Wobei ein Hase, der im Plüschkostüm mit Riesenohren als er selbst verkleidet ist, ein ziemlich erbärmliches Bild dafür abgibt, wie der Mensch die Natur überformt.

Es geht aber auch düsterer. Ingeborg Strobl stellt Tieren, die zu Kitschfiguren verniedlicht werden, Fotos der brutalen Realität von Schlachtvieh gegenüber. Geradezu tröstlich wirkt da das frische Grün, das aus einem Erdhügel sprießt – stünde dieser nicht im Museum und erinnerte somit daran, dass die Natur zum toten Relikt zu verkommen droht. Als Grass Grows 1969 entstand, hatte der deutsche Künstler Hans Haacke gerade sein Interesse für physikalische und biologische Prozesse entdeckt, die er alsbald auch mit sozialen Fragen zu verknüpfte.

Bewusstsein durch den Mond

all natural ist der Titel der von Christina Penetsdorfer kuratierten Ausstellung im Museum der Moderne Salzburg. Es zeigt sich darin, dass man weit zurückschauen kann, um auf künstlerische Auseinandersetzungen mit der Umwelt(zerstörung) zu treffen.

Just ein Meilenstein des technischen Fortschritts, nämlich die Mondlandung 1969, weckte das Ökobewusstsein, dem man ab den späten 1960er-Jahren auch in der Kunst begegnet. 1972 lud Gordon Matta-Clark in New York Passanten ein, via Sauerstoffmaske "Fresh Air" einzuatmen. Im selben Jahr schuf sein Vater, der Surrealist Roberto Matta, eine schwarzhumorige Serie von Radierungen: Les Oh! Tomobiles sind Rauchschwaden absondernde Verkehrshöllenmaschinen, und manch einem ihrer Lenker wächst statt der Nase ein Auspuff aus dem Gesicht.

Ökologische Krise, Ausbeutung, Überproduktion, Fridays-for-Future-Demos: Der umweltpolitische Assoziationsrahmen ist der Salzburger Schau zweifellos willkommen, er sorgt aber auch außerhalb von Museen für eine Konjunktur des Themas Kunst und Natur. Zum Beispiel dort, wo die Beziehung zum Menschen sowohl enger als auch problematischer sein kann, nämlich im ländlichen Raum und insbesondere in der Landwirtschaft.

Die Südtiroler Initiative BAU lädt internationale Künstlerinnen und Künstler zum Arbeiten vor Ort ein, zu Gast war etwa der Däne Tue Greenfort, aktuell hat das Londoner Duo Cooking Sections Lebensrealität und Produktionsprozesse von Milchbauern im Visier. Was sich in der freien Kulturszene tut, die häufig im Umfeld gesellschaftspolitischer Fragestellungen agiert, hat zuletzt die Interessenvertretung der Tiroler Kulturinitiativen in einem "Forum Klimakultur" beleuchtet.

Ganz woanders, nämlich an der Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft, wächst ein Wald, der sein eigener Chef ist: Er fällt seine Bäume, fällt das Holz, forstet wieder auf. Ein Modell für die Zukunft? Jedenfalls Gegenstand eines interdisziplinären Forschungsprojekts, für das sich von der deutschen Forstwirtschaft bis zur IT-Branche so einige interessieren. Den Ausgangspunkt bildete ein Kunstprojekt namens terra0 von Studenten an der Universität der Künste Berlin. Sie hatten sich vorgenommen, die Blockchain-Technologie, die hinter Kryptowährungen wie Bitcoin steht, in die Natur zu verpflanzen.

Schutz durch Gleichgewicht

Die Idee dahinter: Ein System, das auf miteinander verketteten Datensätzen beruht, braucht keine menschlichen Mittelsmänner, die Eigeninteressen verfolgen. Das heißt für den Wald: möglicherweise nachhaltigere Nutzung von Rohstoffen und (Eigen-)Schutz des ökologischen Gleichgewichts.

Als der "Mann fürs neue Erdzeitalter" wurde der Schweizer Künstler Julian Charrière unlängst in Berlin bezeichnet. Dabei ist die Beschäftigung mit natürlichen Ressourcen und ihren politischen Aspekten keineswegs seine Erfindung – aber sie ist bei ihm besonders spektakulär: etwa wenn er vor dem Bikini-Atoll nach menschlichen Hinterlassenschaften taucht, mit einem Bunsenbrenner versucht, einen Eisberg abzuschmelzen, oder mit Salz und Lithium Skulpturen baut.

In der Salzburger Ausstellung, die in fünf kompakte Kapitel gegliedert ist, begegnet man auch Lois Weinbergers am Unkraut festgemachten Blicken auf Randzonen – der Natur und der Gesellschaft. Wenn es darum geht, dass die Zukunft auf der Kippe steht, eignen sich Ulrike Lienbachers Fotografien als Sinnbild: Sie zeigen Momente kurz vor der Transformation – ein noch intaktes Eigelb, in das gleich eine Gabel sticht, ein volles Wasserglas kurz vor dem Moment des Überlaufens. (Ivona Jelcic, 3.5.2019)