Wien – Aus einer Bestandsaufnahme zur globalen Artenvielfalt kann ein Team um den Ökologen Raffael Hickisch konkrete Tipps für entdeckungsfreudige Wissenschafter ableiten: "Der Osten Nicaraguas kann beispielsweise gut noch ein paar Jungforscher mehr vertragen, wo doch die Serengeti vielleicht schon recht gut beforscht ist", sagt Hickisch. Und diese Region sei nur eine aus einer ganzen Reihe von "weißen Flecken", in denen die Artenvielfalt erst sehr unvollständig erhoben ist.

Verzerrter Eindruck mangels Erforschung

Den Anlass dazu gab eine Expedition in den Osten der Zentralafrikanischen Republik, die Hickisch zusammen mit seinem Schweizer Kollegen Thierry Aebischer 2012 durchführte. Neben der Tatsache, dass es damals noch wenige Studien über die Chinko-Region gab, schien das Mosaik aus Regenwald, Waldsavanne und Savanne zumindest auf dem Papier nur von wenigen Tierarten bewohnt zu sein.

Dieses Bild war aber verzerrt – unter anderem durch den Umstand, dass es bis dahin kaum Ornithologen in das Land verschlagen hatte. Das führte zum fälschlichen Eindruck, Zugvögel würden einen Bogen um die Zentralafrikanische Republik machen, sagt Hickisch. Bei näherer Untersuchung erwies sich die Region, die mittlerweile auch ein Naturschutzgebiet ist, aber schnell als Hotspot der Artenvielfalt.

Feldforschungsberichte ausgewertet

Die nun im Fachjournal "Conservation Biology" veröffentlichte Studie, an der auch der Präsident des Wissenschaftsfonds FWF, der Ökologe Klement Tockner, beteiligt ist, entstand während eines einjährigen Forschungsaufenthalts Hickischs am Zoologie-Department der Universität Oxford. "Mein Ziel war es, herauszufinden, warum es heutzutage noch Orte gibt, die so unerforscht sind, und wie viele es davon noch anderswo gibt", so der Forscher.

Die Wissenschafter entwickelten Algorithmen, um wissenschaftliche Feldforschungsberichte geografisch zuordnen zu können. Damit zeigten sie, in welchen Regionen besonders wenig Naturschutzforschung betrieben wird.

Daten "erstaunlich spärlich"

Über weiterführende Daten, wie etwa zur Lebenserwartung, Infrastruktur, zur Häufigkeit von Feuern in den Gebieten, zu Temperatur und Niederschlag oder zum Licht bei Nacht schätzen die Wissenschafter auch ab, wo Naturschutzforschung eigentlich besonders dringlich wäre. Solche Regionen finden sich demnach im zentralen Afrika, im Zentrum Westafrikas, in Bolivien, der Amazonasregion sowie auf den Andamanen und Nikobaren, einer zu Indien gehörenden Inselgruppe, die in manchen Teilen für Touristen gesperrt ist. Einige Inseln dürfen auch von Forschern nur mit Ausnahmegenehmigung betreten werden.

Die mittlerweile überall verfügbaren, recht detaillierten Satellitenbilder aus allen Weltgegenden haben möglicherweise zum falschen Umkehrschluss geführt, dass "wir von überall auch gleich viel wissen", so der Wissenschafter. Das Problem des vielfachen Nicht-Wissens über die tatsächlichen Verhältnisse an Ort und Stelle sei, dass sich auch die Naturschutzpolitik, Berichte zur weltweiten Artenvielfalt oder die Erstellung Roter Listen gefährdeter Tiere oder Pflanzen nach den für viele Gegenden doch erstaunlich spärlich vorhandenen Daten richten. (APA, red, 7. 5. 2019)