Eine tödliche Kuhattacke in Tirol war Auslöser für die vom Höchstgericht kritisierte Gesetzesänderung.

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Innsbruck/Wien – Die nach dem Schadenersatzurteil wegen einer tödlichen Kuhattacke von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Gesetzesänderung zur Tierhalterhaftung stößt auf scharfe Kritik des Obersten Gerichtshofs (OGH). Dieser erklärte in einer Stellungnahme zum Entwurf, dass die vorgeschlagene Neuregelung "in keinem Punkt zu einem Gewinn an Rechtssicherheit" führt. Sie werfe vielmehr neue Probleme auf.

Frage nach "rechtspolitischem Sinn"

"Damit stellt sich die Frage nach ihrem rechtspolitischen Sinn. Ist es tatsächlich angebracht, eine bewährte, durch höchstgerichtliche Rechtsprechung konkretisierte Norm mit weitwendigen, aber keinen erkennbaren Mehrwert aufweisenden Formulierungen aufzuladen, nur weil das möglicherweise einer medial geschürten Erwartungshaltung entspricht", heißt es in der auf der Parlamentshomepage veröffentlichten OGH-Stellungnahme. Die Regierung habe sich dazu bekannt, Gesetze "einfacher, klarer und für die Bürgerinnen und Bürger verständlicher zu machen". Fazit: "Die beabsichtigte Ergänzung von Paragraf 1320 ABGB verwirklicht dieses Ziel jedenfalls nicht."

Der Oberste Gerichtshof ortet keinen Regelungsbedarf. Aufgrund seiner Rechtsprechung bestehe "für den Kernbereich der Almwirtschaft Rechtssicherheit" – das bedeute "keine Pflicht zur Einzäunung, wohl aber gegebenenfalls zur Aufstellung von Warntafeln". Weitergehende Pflichten könnten zwar ausnahmsweise bestehen, solche Ausnahmefälle könnten aber – wie auch sonst im Schadenersatzrecht – von der Rechtsprechung bewältigt werden. "Dennoch schlägt der Entwurf aufgrund eines erstinstanzlichen Urteils, das offenkundig zu einem solchen Ausnahmefall ergangen ist, eine Ergänzung von Paragraf 1320 ABGB vor. Tragfähige Gründe sind dafür nicht zu erkennen", erklärt der OGH.

Verstoß gegen Grundsätze des Schadenersatzes

Sauer stößt dem OGH unter anderem die Bezugnahme auf die "erwartbare Eigenverantwortung" der Besucher von Almen und Weiden auf. Die Bestimmung könnte dahin ausgelegt werden, dass eine sonst bestehende Haftung des Tierhalters entfällt, wenn der Geschädigte die "erwartbare Eigenverantwortung" nicht wahrnimmt. Das verstoße aber gegen Grundsätze des Schadenersatzrechts, das bei einem Mitverschulden in der Regel eine Schadensteilung und nicht einen vollständigen Haftungsentfall vorsieht.

Ähnlich scharfe Kritik äußert auch das Oberlandesgericht Wien in seiner Stellungnahme. Grundsätzliche Zustimmung kommt hingegen unter anderem von den Naturfreunden und der Landwirtschaftskammer. Beide regen jedoch einige Verbesserungen an. Die Kammer bemängelt etwa, dass keine Änderung der geltenden Beweislastverteilung hinsichtlich der Haltung von Tieren im Rahmen der Alm- und Weidewirtschaft vorgesehen ist. Zudem will die Landwirtschaftskammer, dass der Entwurf bereits mit 1. Mai und nicht erst mit 1. Juni in Kraft tritt. Schließlich würden zahlreiche Almen bereits im Mai bestoßen.

Tödlicher Anlassfall

Auslöser für die Gesetzesänderung war ein Zivilprozess gegen einen Landwirt. Am 28. Juli 2014 war im Tiroler Pinnistal eine 45-jährige Deutsche, die mit ihrem Hund unterwegs war, von Kühen zu Tode getrampelt worden. Nach jahrelangem Rechtsstreit erging im Februar das Urteil, wonach der Bauer dem Witwer und dem Sohn rund 180.000 Euro sowie eine monatliche Rente zahlen muss, da er seine Tiere entlang des Weges nicht eingezäunt hatte. Das erstinstanzliche Urteil ist nicht rechtskräftig, der Landwirt ging in Berufung. Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer, möchte erst den Prozess abwarten, bevor entschieden wird, ob und wie dem Landwirt beigestanden werden könnte. (APA, 3.5.2019)