Lukas Müller erlitt einen Arbeitsunfall.

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Wien – Jener Unfall, der am 13. Jänner 2016 das Leben des damals 23-jährigen Skispringers Lukas Müller drastisch veränderte, ist nach einer Klage des Kärntners vom Verwaltungsgerichtshof als Arbeitsunfall eingestuft worden. Müller, der sich damals als Vorspringer für die Skiflug-WM 2016 auf dem Kulm einen inkompletten Querschnitt zugezogen hat, hat damit möglicherweise für einen Präzedenzfall gesorgt.

Müller sitzt seit dem Unfall im Rollstuhl, musste unter anderem sein Auto umbauen lassen und hat auch hohe Folgekosten. Darum kämpfte er auch aus versicherungstechnischen Gründen um die Anerkennung als Arbeitsunfall und aus seiner Sicht um soziale Gerechtigkeit. Der ÖSV beziehungsweise die Austria Ski WM und GroßveranstaltungsgesmbH war der Meinung, dass der Unfall als Freizeitunfall einzustufen sei, und hat diesbezüglich eine Niederlage erlitten.

Schröcksnadel: "Sein Unfall war eine Tragödie"

"Lukas Müller war ein großes und hoffnungsvolles Nachwuchstalent, sein Unfall war eine Tragödie. Nicht nur für ihn, auch für uns und seine Kollegen im ÖSV", wurde Verbandspräsident Peter Schröcksnadel in einer Aussendung zitiert. Der ÖSV wolle nun prüfen, welche sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs für künftige Sportveranstaltungen haben wird.

"Das betrifft aber nicht nur den ÖSV, sondern könnte Auswirkungen auch für andere Sportverbände und -veranstalter in Österreich haben", erklärte Schröcksnadel. "Die Frage ist, welchen sozialversicherungsrechtlichen Status haben Personen und Freiwillige, die – außerhalb des Kaders – an Sportveranstaltungen teilnehmen, und wie müssen sie allenfalls arbeitsrechtlich abgesichert werden? Welche Konsequenzen entstehen daraus auch für kleine Veranstaltungen? Es wird dafür eine praktikable Regelung brauchen, um kleinere Veranstaltungen auch künftig durchführen zu können."

Der ÖSV habe sich nach dem Unfall sehr dafür eingesetzt, dass Müller eine entsprechende Entschädigung von den Versicherungen zuerkannt wurde, die ihm seine schwierige Situation erleichtern sollte. Allerdings deckt nur ein anerkannter Arbeitsunfall die lebenslangen Folgekosten ab. Die Entscheidung zugunsten Müllers könnte nicht nur für Sportler, sondern auch für den Betreuerstab auch in anderen Sportarten die Absicherung auf neue Beine stellen.

Falsche Versicherungssumme kolportiert

Mit großer Freude und Genugtuung hat Lukas Müller seine gewonnene Klage gegen den Österreichischen Skiverband (ÖSV) bzw. den Veranstalter, die "Austria Ski WM und Großveranstaltungs Ges.m.b.H.", registriert. "Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen. Klar habe ich, wie der ÖSV so gern betont, zwei Versicherungsleistungen gekriegt. Er verwendet falsche Zahlen und suggeriert, dass er dafür verantwortlich ist, was in keinem der beiden Fälle stimmt. Aber rechnen wir einmal die Summe auf die nächsten 50, 60 Jahre auf, da bleibt nicht mehr viel übrig", sagte Müller am Freitag im Gespräch mit der APA. Beide Versicherungsleistungen, die Müller erhalten hat, sind übrigens nicht auf Basis von ÖSV-Einzahlungen passiert.

Die vom ÖSV verbreiteten 480.000 Euro aus einer Versicherung sind zwar richtig, die 350.000 Schweizer Franken aus einer Fis-Risikoversicherung hingegen nicht. "Die 350.000 Schweizer Franken bzw. 306.000 Euro sind die Maximalsumme. Das Schweizer Bewertungssystem der Invalidität unterscheidet sich grundlegend vom österreichischen. In Österreich werden alle Invaliditätsteile zusammengezählt, in der Schweiz wird von den 100 Prozent alles abgezogen, was du kannst. Ich bin ja fähig aufzustehen, schon allein deshalb ist es nicht möglich, dass ich 100 Prozent kriege."

Müller: "Reines Ablenkungsmanöver"

Für Müller ist all das ein "reines Ablenkungsmanöver". "Ich wehre mich dagegen, dass ich hingestellt werde, dass ich mit einem Querschnitt reich werde. Das ist irgendwo schon ein bisserl schäbig, wenn ich in das Licht gerückt werde, weil ich wünsche die Verletzung niemandem. Es kann sich niemand vorstellen, was ich spüre und was ich nicht spüre."

Grundsätzlich gehe es aber um etwas ganz Anderes: "Und wenn ich sechs Unfallversicherungen und fünf Mio. Euro gekriegt hätte, hätte ich es genauso gemacht. Es geht auch um die anderen Sportler. Es geht mir nicht darum, dem Verband ins Wadl zu beißen, sondern darum, dass das ordentlich gemacht gehört, weil wir sind in einer Hochrisikosportart."

Theoretisch und praktisch ist das Urteil aber wesentlich weitreichender als "nur" für Hochrisikosportarten. Es geht um die gesetzliche Versicherung, die u.a. auch bei der Anreise zu Sportveranstaltungen oder Trainingslagern passieren kann. Müller ist diese Facette auch bewusst. "Der Gesetzgeber steht vor der Herausforderung, das Urteil in ein Gesetz zu gießen. Dahin gehend wird wahrscheinlich die nächste Zeit relativ viel Arbeit anfallen. Ich bin ein Fan von Teamwork, das hat mir auch zu meinem gerichtlichen Sieg verholfen", sagte Müller, der das Urteil u.a. auch in Zusammenarbeit mit der "younion – Die Daseinsgewerkschaft" erreicht hat.

"Die Sportler werden nicht mehr länger als moderne Gladiatoren behandelt und ihrem Schicksal überlassen, während sich die Sportverbände ihrer Verantwortung entledigen und sich in die Zuschauerrolle zurückziehen", sagte Gernot Baumgartner in einer Aussendung des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB). (APA, 3.5.2019)