Es ist zum Feuermauerhochklettern: Frauen kämpfen im Theaterbetrieb massiv um Sichtbarkeit.

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Die Diskussion um eine Quote im Theaterbetrieb hat neues Futter bekommen. Das am Freitag eröffnete Berliner Theatertreffen führt ab 2020 – für zwei Jahre – eine Frauenquote von mindestens 50 Prozent ein. Von den alljährlich unter viel, auch internationaler Medienaufmerksamkeit präsentierten zehn bemerkenswertesten Produktionen eines Jahres müssen dann mindestens die Hälfte von Regisseurinnen sein. Das ist – wenn auch nur temporär – ein Paukenschlag in einem sich bekanntlich nur zäh wandelnden Betrieb.

Die Diskussionen tragen schon Bärte. Seit Jahrzehnten ist die quantitative Diskrepanz zwischen männlichen und weiblichen Regiepositionen an institutionalisierten Theatern virulent: grob 70 zu 30 Prozent. Und das, obwohl mehr Frauen das Regiefach absolvieren. Die hohe Drop-out-Zahl hat verschiedene Gründe, einer aber liegt gewiss in den historisch verfestigten Machtstrukturen am Theater.

Diese zu verändern und zu öffnen, geht nicht von allein. Keiner will Macht, keiner will die gut bezahlten Jobs abgeben. Dass Regisseurinnen meist auf Nebenspielstätten oder im Kindertheater, also in den niedriger dotierten Bereichen versteckt werden, ist eine Tatsache, die sich alljährlich auch in der Zehnerauswahl beim Theatertreffen widerspiegelt.

In der Besenkammer

Die Gepflogenheit, Regisseurinnen vorzugsweise in die Besenkammern zu beordern, gehört durchbrochen. Das heißt nicht, dass nicht auch dort gute Arbeiten entstehen können. Es bedeutet aber, dass Regisseurinnen strukturell dazu angeleitet werden, immer im kleinen Rahmen zu denken – und sich über die Jahre verderblicherweise daran gewöhnen.

Die Quote ist – wie alle Vorschriften – unelegant und kein Allheilmittel. Sie ist ein banales Hilfsinstrument, um einen Anstoß zu geben. Das Publikum seinerseits hat ein Recht auf weibliche Regiehandschriften. Die nächsten beiden Jahre könnten also im deutschsprachigen Theater eine echte Veränderung in Gang setzen. Denn die Entscheidung der Theatertreffen-Leitung wird auf Intendantinnen und Intendanten rückwirken, die nun bestätigt bekommen: Die Arbeit von Regisseurinnen wird gleich anerkannt wie die von Regisseuren.

Kampfbegriff Quotenfrau

Baselitz-like spricht man dies den Regisseurinnen ja gern ab. Der Theatermarkt lüge nicht, sozusagen. Schnell ist man mit abwertenden Kampfbegriffen wie Quotenfrau zur Stelle, nie aber spricht man vom Quotenmann, den es seit jeher gibt. Das Narrativ, gute Kunst würde sich automatisch durchsetzen, ist ein romantischer Irrglaube, den im Übrigen auch die Kunstgeschichte Lügen straft.

Dass es ein Dutzend Regisseurinnen doch geschafft haben, ist kein Widerspruch. Sie haben es trotz der strukturellen Benachteiligung geschafft. Es gibt gewiss noch mehr von ihnen. Die Jahre 2020 und 2021 werden dahingehend ein Schlupfloch markieren. Mit dem vorläufigen Recht auf die Hälfte der Plätze der Bestenliste geht also auch ein Auftrag an Regisseurinnen einher, auf Raum und Etat so selbstverständlich zu bestehen wie es Kollegen immer schon tun. (Margarete Affenzeller, 4.5.2019)