Drei Männer in ärmellosen Lederjacken, Hells Angels Malta auf ihren Rücken, spazieren vor mir über den kleinen Vorplatz. Ich muss grinsen. Was haben diese rauen Kerle in Venedig verloren? Als ich weiterlaufe, drehe ich in engen Gassen meine Schultern zur Seite, um weniger Raum einzunehmen, dränge mich vor die zuckelnden Touristen. Ich weiß, wohin ich will, bin Bewohnerin auf Zeit und privilegiert, weil ich meist von einem Palazzo aus auf das Geschehen am Canal Grande blicke. So nehme ich die Stadt anders wahr als die Besucher, die auf ausgetretenen Pfaden durch die Häuserschluchten drängen.

Sehr spezielle Blicke auf die Lagunenstadt Venedig: "Nella Nutella" lautet der Titel der Arbeit von Gelatin (Booklet, Walther König) aus dem Jahr 2001.
Foto: Gelatin/Lucien Samaha

Täglich betrachte ich das geschickte Navigieren der Boote, die Schleifen ziehen, sich zwischen Transportkähnen, überfüllten Vaporetti und Wassertaxis durchschlängeln. Im Gegensatz zum Autoverkehr liegt am Kanal alles offen: Chauffeure, Passagiere, Ladung. Zwei auf die Breitseite gestellte Klaviere schippern in Richtung Konzert. Polizisten in Ausgehuniform mit blauer Schärpe und weißen Kappen sausen aufrecht stehend vorbei. Frachter mit Baumaterial, Maschinen, Kränen. Arbeiter in Overalls, die Selfies vor den Fassaden von Palästen schießen, die sie reparieren sollen. Und natürlich die Reisegruppen auf schicken Taxibooten, alles öffentlich. Venedig ist eine Bühne.

Unten bei der Gondelgarage

In meinem Zimmer sitzend vernehme ich die lärmende Maschinerie, welche diese Stadt am Laufen hält: Schiffsmotoren, Müllkräne, Männer mit kräftigen Stimmen, die sich von weitem grüßen, von Boot zu Boot unterhalten, Kommandos schreien, bevor sie in den Seitenkanal biegen. Ich höre Schiffshupen. Möwen kreischen. Ich höre Brummen und Hämmern, Stein auf Stein, Metall auf Metall, Bretter, die aufeinanderknallen; sie werden als Stege an die Uferbefestigung gelegt und als Abdeckung für Lastschiffe verwendet. Und sobald ein Rettungs- oder Feuerwehrboot vorbeischießt, schlackern die Wellen wie wild. Unten bei der Gondelgarage rauscht das Wasser eher sanft, die elektronische Rattenfalle zirpt. Die Herrschaften erreichten ihren Wohnsitz früher von der Wasserseite her, nicht über die düstere, verwinkelte Gasse, die bloß Zugang für Dienstboten war.

Vorsicht, Rutschgefahr! Das lernen venezianische Kinder von klein auf ...
Foto: Gelatin/Lucien Samaha

In der Architektur äußern sich Klassenverhältnisse. Der Palazzo, in dem sich das Deutsche Studienzentrum befindet, wo ich zu Gast bin, zeichnet sich durch eine riesige Terrasse mit Panoramablick aus. Die ist sogar für Einheimische eine Sensation. So viel verschwendeter Raum! Seine Innenräume sind voller Symbole und Geschichten, die sich über Jahrhunderte angesammelt haben. Ich freue mich über zwei Vignetten im Salon, welche Dichterinnen gewidmet sind: Gaspara Stampa und Vittoria Colonna, wie ich am ersten Tag bemerke, während ich beeindruckt mit der flachen Hand über die Samtornamente der antiken Stofftapete streiche. Die Palazzi, die ich bisher von innen kennenlernte, waren entweder ziemlich heruntergekommen oder so überrestauriert, dass sie unantastbar schienen.

Hier kann ich nachfühlen, wie es ist, in feudaler Umgebung zu wohnen und beobachten, wie das die Wohnenden beeinflusst. Die Besitzerin der Immobilie, eine 91-jährige, sehr muntere Contessa, ist bereits seit Jahrzehnten in der prächtigen zweiten Etage ansässig. Sie trägt zur kalten Jahreszeit auch in Innenräumen Pelz, echten natürlich, was angesichts der schlecht zu heizenden Zimmer mit meterhohen Wänden durchaus verständlich ist. Die goldgerahmten Spiegel, die bemalten Holzdecken mit abschließenden Fratzen, die Gemälde und wertvollen Bacchus-Fresken mit nackten Männern und Frauen jedoch fühlen sich im Kühlen wohl. Endlich verstehe ich, warum Italienerinnen Pelze lieben. Die vergleichsweise milden Außentemperaturen sind nicht der Grund.

Ungelüftete Pracht

Die Geschichte der Bewohner der vielen Prunkbauten scheint mir mindestens so interessant wie die Architektur und ihre kunsthistorische Bedeutung. Meinen Brodsky-Moment erlebe ich jedoch nicht mit der Contessa, sondern anderswo. Wegen des russischen Dichters, der lange hier lebte und auf der Friedhofsinsel begraben ist, hatte mich Venedig interessiert. Seine Beschreibung von zerbröselnder Grandezza und jahrhundertelang ungelüfteter Pracht faszinierte mich. Jetzt war ich eingeladen, an einer Lesung im privaten Kreis teilzunehmen: Ich folge also dem livrierten Diener durch einen Wintergarten mit überdimensionierten 70er-Jahre-Murano-Leuchtern in ein herrschaftliches Haus und den riesigen Salon, der aussieht wie aus einem Inneneinrichtungsmagazin der exklusiven Sorte. Antike wandfüllende Teppiche und Tapisserien, immense Roundcouch im orientalischen Stil, gedrechselte Bücherkisten. Jeder freie Fleck ist mit Büchern, aufgeschlagenen Bildbänden, Drucken und Grafiken belegt.

Überall unbezahlbare Luster, Art-déco-Lampen, Porzellanskulpturen. Es ist zwar nicht der zerkrümelnde Pomp, dem Brodsky damals begegnete, aber eine lässige Zurschaustellung von Reichtum, der sich nur über mehrere Generationen so elegant anzusammeln vermag. Die Gäste, es sind vor allem Damen mit klingenden Nachnamen, die man auf Straßen und Plätzen der Stadt wiederfindet, tragen Texte von Catull, Shakespeare, Cervantes zum Thema Lüge vor. Sie zitieren Cyrano de Bergerac und natürlich Pinocchio, begeistern sich an besonders gelungenen Stellen. Es fühlt sich an wie im Film, ist aber echt. Sie lesen von iPads, Mobiltelefonen, Kopien, aus Büchern oder rezitieren frei. Alles geleitet von der Hausherrin mit rauchiger Stimme, geglätteten dunklen Haaren, Smokey Eyes, Lederhosen, Typ Rocksängerin.

... die Künstler von Gelatin/Gelitin üben den freien Fall immer wieder: www.gelitin.net
Foto: Gelatin/Lucien Samaha

Später finde ich heraus, dass sie tatsächlich als Teenager beim Song Contest angetreten ist und jetzt als Fotografin arbeitet. Während der Lesung wundere ich mich über die Hingabe der Teilnehmerinnen an Worte und Verse, die gepriesen werden wie Leckerbissen, an denen man sich berauscht! Besonders in Zusammenspiel mit dem üppigen Interieur regt diese Szenerie Fantasien an, denen ich als Vertreterin des Prekariats nun mal ausgesetzt bin, ob ich will oder nicht. Sogar der italienische Praktikant, der mich begleitet, ist hin und weg. Sowas hat er noch nie erlebt.

Auch in "unserem" Palazzo logierte Prominenz. Ein Dichter, obwohl ein zweifelhafter, Gabriele D'Annunzio, der sich später von den Faschisten hofieren ließ, nützte ihn als Absteige, um wechselnde Geliebte zu empfangen. Er betrachtete das Gebäude als mittelmäßige Bleibe, mochte Venedig eigentlich nicht; einige Venezianerinnen wie z. B. seine langjährige Geliebte Olga Brunner Levi jedoch schon. Möglich, dass der Geist des Hauses dem sensiblen Frauenhelden zu schaffen machte, denn vorher ordinierte hier ein deutscher Gynäkologe, der auch kleine Eingriffe wie die Entfernung von Eileitern vornahm. Der Arzt erforschte die Auswirkungen dieser Operationen auf das Intimleben seiner Patientinnen, während der Dichter sich unermüdlich vor allem der sexuellen Praxis widmete.

Auf einem Boot stehen

Das alles ist Geschichte, während ich als Bewohnerin auf Zeit immer noch dabei bin, meinen Körper auf die Stadt einzustimmen, und so tue, als fände ich mich zurecht. Als Binnenländerin will ich lernen, auf einem Boot zu stehen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, weil man daran erkennt, wer einheimisch ist und wer nicht. Nur Touristen geraten ängstlich ins Wanken. Ich übe. Als ich glaube, ich bin so weit, steige ich mit meinem Begleiter ins Traghetto, um den Canal Grande zu überqueren. Wir machen uns locker, berücksichtigen aber nicht, dass das Boot bei der Abfahrt wendet. Nun stehen wir als einzige entgegen der Fahrtrichtung, für jeden als Fremde erkennbar und unfähig, uns unterwegs umzudrehen. Dennoch, sich so nah am Wasser zu befinden verändert die Wahrnehmung und lässt den Besucher das bestimmende Element Venedigs intensiver spüren als auf dem Dieselboot.

Romantische Festindustrie

Gondelfahrten sind weiterhin ein fixer Programmpunkt, auf den kein Tourist verzichten will, obwohl man sich fragt, wozu. So viele schwarze Barken nebeneinander, alle mit romantischer Stimmung beladen wie bei einer Massenhochzeit. Außerdem sind wegen der hohen Preise die Gondeln weniger von Paaren besetzt als von Familien und Gruppen von schwergewichtigen Reisenden. Der Gondoliere müht sich, die Passagiere thronen und fummeln am Handy, nehmen oft nichts anderes wahr als sich selbst. Tippen eifrig, und der Gondoliere rudert und rudert, ist gelangweilt bis genervt.

Neben dem Romantikgeschäft lebt die Stadt auch von der Festindustrie: Palazzi werden für Hochzeiten, Partys und Filmdrehs angemietet. Dazu wird das gesamte Equipment per Boot geliefert: Porzellan, Gläser, Deko, Verstärker, Stühle, Musiker, Catering. Wegen des Partylärms im benachbarten Palazzo verständigen wir uns samstags oft mit Martha, der Verwalterin. Sie muss das Haus nach den Festen wieder in Ordnung bringen, die wertvollen Luster aus Murano-Glas, in denen echte Wachskerzen brennen, zerlegen, reinigen und nach komplizierten Plänen neuerlich zusammenbauen. Sie dirigiert auch den Abtransport des Festmaterials. Nebenan legt der Kahn mit der Lieferung für den Supermarkt an, werden Wasch- und Spülmaschinen für Ferienapartments angeliefert.

Die für Kurzzeitbesucher renovierten Wohnungen tragen dazu bei, dass die Bevölkerung weiter abwandert, weil keiner sich die dadurch gestiegenen Mieten leisten kann. Auch die Unmengen von Müll, den die Gäste produzieren, müssen schleunigst aus der Stadt, natürlich per Boot. Kräne heben die gefüllten Säcke in Eisenkäfigen in die Laderäume von Müllbooten. Morgens läuten die Männer an jeder einzelnen Haustür, um die Säcke abzuholen. Wegen der Ratten dürfen sie nicht auf der Straße gelagert werden. Eines Tages sitze ich auf dem kleinen Balkon der Bibliothek, als das Kanalisationsboot anlegt, Rohre ausfährt und den gesamten Unrat des Palastes und des Luxushotels nebenan in den Tank transferiert. Das dauert, macht viel Lärm und stinkt. Ich flüchte zurück zu den Büchern.

Breite Fahrrinnen

Von allen Booten sind die Kreuzfahrtschiffe die gruseligsten. Für sie wurden sogar zum Schaden der Stadt die Fahrrinnen verbreitert und vertieft. Nahezu täglich taucht hinter meiner Aussicht der Schornstein eines derartigen Gefährts wie eine Haifischflosse auf und überragt die historischen Gebäude. Dann fallen seine Passagiere ein und füllen spürbar sogar abgelegene Gassen. Abends räumen sie Venedig, um rechtzeitig ihr Dinner am Schiff einzunehmen und haben pro Kopf meist nicht mehr als zehn Euro ausgegeben, aber genug Zerstörung hinterlassen. Je mehr der großen Schiffe, desto mehr Wasser wird verdrängt, welches bereits angegriffene Bauten weiter destabilisiert und die Grundfesten aus Holzpfählen, die vor langer Zeit in den schlammigen Boden gerammt wurden, aushöhlt. Das durch den steigenden Verkehr ständig aufgewühlte Nass vernichtet auch die Unterwasservegetation. Doch die Stadtoberen denken kurzsichtig vor allem an die Landungsgebühren von über 400 Millionen Euro jährlich, die sie von den Kreuzfahrtschiffen kassieren, als sich um den Erhalt zu kümmern. Nach mir die Sintflut, ist hier wörtlich zu verstehen.

Abends ist Venedig bis auf die, die noch hier wohnen, weitaus leerer. Es ist durchaus möglich, die Massenwanderung zu umgehen, da sich die meisten Touristen nur ein paar Stunden in der Stadt und dann rund um Markusplatz und Rialto aufhalten. Wer den Dom ohne Warteschlangen besichtigen will, sollte das im Morgengrauen tun und in Ruhe seine prachtvollen Innenräume betrachten, während der Priester eine kurze Frühmesse zum Besten gibt. Neben seiner Stimme und dem dünnen Gesang der wenigen Besucher ist dann bloß das Gurren der Tauben von draußen zu hören. Am stillsten aber wird es zu Zeiten von Acqua alta.

Überschwemmter Vorplatz

Zuerst jedoch klingt die Sirene, eine Abfolge vibrierender, von dunkel zu hell ansteigender Warntöne. An deren Variation und Wiederholung kann man erkennen, wie hoch das Wasser steigen wird, das die Gezeiten in die Kanäle drücken. Die Gummistiefel stehen bereit. Als ich vor die Tür trete, um Vorräte einzukaufen, stinkt es nach ausgelaufener Toilette. In der dunklen Gasse steht das Wasser, und als ich mich langsam in Richtung Ausgang bewege, erblicken mich zwei Touristinnen, deuten und lachen schadenfroh. Ich verstehe nicht, was sie erheitert. Dass ich da durchwaten muss? Dass ich in so einem Loch wohne?

Der Vorplatz ist überschwemmt. Einige stapfen mit faltbaren Stiefeln in grellen Farben herum. Manche tragen an den Beinen festgeklebte Müllsäcke. Manche waten barfuß, manche in Schuhen. Die venezianischen Nachbarn aber besitzen hüfthohe Fischerstiefel, die sie bei geringerem Wasserstand elegant zu Stulpen falten. Ich hebe die Füße nur wenig, dann spritzt es nicht so stark. Dieses Waten und Watscheln geht langsam voran. Im Restaurant um die Ecke stehen Stühle und Tische bereits 30 Zentimeter unter Wasser; die Kellnerin wartet trotzdem auf Kunden.

Nachmittags dann totale Stille. Kaum mehr Boote, die Auslieferungen sind gestoppt. Wer es noch geschafft hat, ist jetzt zu Hause, die Kinder haben schulfrei, die Unis sind zu. Ich höre nur die Möwen, den heftigen Wind, der die Fensterläden aus Holz klappern lässt. Die Gondeln sind mit Planen eingedeckt. Rollkoffer müssen nun überm Kopf getragen werden.

Mittlerweile steht das Wasser sogar im Foyer des Palazzos, Tendenz steigend. Die Statuen der Flussgötter im Eingangsbereich machen auf einmal Sinn. Das Internet ist ausgefallen. Ich lese alte Zeitungen. Dann hat das Wasser sogar den Waschmaschinenraum erreicht. Ich wate hinein, die Putzeimer und Plastikmülltonnen schwimmen. Ich sammle sie ein, stelle sie ins Regal. Und warte und warte und warte.

Die Stadt Land unter

Als nach zwei Tagen der Spiegel endlich gesunken ist, hört man draußen vor allem das Kratzen der Faltstiefel am Pflaster jener Touristen, denen die Straßenverkäufer noch welche andrehen konnten, obwohl es kaum mehr Pfützen gibt. Auch die im Internet kursierenden Fotos von Menschen, denen das Wasser an San Marco bis zu den Hüften steht, ließen viele glauben, dass die Stadt völlig Land unter sei. Aber das täuscht. Sogar bei Werten um 140 Zentimeter überm Meeresspiegel, wie letzten November, ist nur die Hälfte Venedigs überschwemmt. Und das Warnsystem funktioniert hervorragend. Es wollen nur viele Besucher nicht darauf hören.

Wasser bestimmt Venedig im Schlechten wie im Guten. Nach der Flut wird unverzüglich geputzt, getrocknet und aufgeräumt. Eines Nachmittags verirren wir uns. Weder Stadtplan noch Erinnerung noch Navigationsprogramm bringen uns, wohin wir wollen. Wir landen auf einem Platz, der in eine Sackgasse führt. Da packt mich der Übermut. Ich krieche in den niedrigen gemauerten Gang, an dessen Ende das Wasser türkisgrün leuchtet, um zu sehen, wo sich die nächste Brücke befindet. Der Boden ist glatt.

Ich sehe mich im Wasser

"Das Ende der Welt", hatte mein Begleiter gerade noch gewitzelt und fotografiert. Als ich fast am Kanal bin, zieht es mir plötzlich den Boden unter den Füßen weg. Schon sehe ich mich ins Wasser tauchen, überlege noch, wie tief es wohl ist. Dann falle ich doch nach hinten, zuerst aufs Steißbein, danach knallt mein Kopf auf Stein. Ich liege mit nassem Hintern und brummendem Schädel in Richtung Wasser geneigt, rundum alles glitschig, kann nicht aufstehen, ohne Gefahr zu laufen, tatsächlich in den Kanal zu rutschen. Mein Begleiter packt mich unter den Armen.

Während er zieht, will ich mich an der Wand abstützen. Aber der Stein, nach dem ich greife, löst sich aus der Mauer. Ich halte die Brocken zwischen den Fingern. "Nicht auf die weißen Steine treten, auf denen sich Schlick vom Hochwasser sammelt. Das lernen die Kinder hier von klein auf", wird mir später erklärt. Und auch: "Jeder Venezianer fällt irgendwann in einen Kanal." Dieser Taufe bin ich noch einmal entkommen. Die Verbindung des eigenen Körpers mit dem wesentlichen Element der Stadt muss wohl sein, überlege ich dann, weil man Venedig nur vom Wasser her verstehen kann. Festlandbewohner jedoch denken stets vom festen Grund her.

Wie und ob das fragile, dem Wasser abgerungene Gebilde namens Venedig gerettet werden kann, bleibt unklar. Nachdem große Hoffnung in ein gigantisches Schleusensystem gesetzt worden, viel Geld beim Bau versickert ist, gibt es nun bereits vor dessen Fertigstellung Experten, die meinen, dass eine fallweise wochenlange Abschirmung der Lagune das Ökosystem ersticken und die Stadt damit endgültig der Erosion preisgeben würde. Venedig ist und bleibt eine jahrhundertelange Übung in Unsicherheit. Und gerade deshalb reizvoll. (Sabine Scholl, 4.5.2019)