Kritiker bezeichnet Hubert Fuchs als "Hellseher", weil sie die Steuerreform schon vor deren Präsentation zerpflückten.

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Die Steuerreform bringt zwar eine umfangreiche Entlastung, in einigen Punkten kann die Regierung ihre Wahlversprechen aber nicht halten. Vor allem die Nichtabschaffung der kalten Progression sorgt für heftige Debatten. Für Staatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) ist das letzte Wort aber noch nicht gesprochen. Er sieht in den inflationsbedingt ständig überproportional steigenden Lohnsteuerbelastung ein Körberlgeld für den Finanzminister und plädiert für Kompensation der Bürger ab Erreichen einer bestimmten Schwelle. Stolz ist der FPÖ-Mann auf Vereinfachungen im Steuerrecht, wie er sagt.

STANDARD: Die von der Regierung präsentierte Entlastung wird nicht nur positiv kommentiert. Sie sei kleiner als im Wahlkampf versprochen, auch die zugesagte Abschaffung der kalten Progression kommt nicht, sagen Kritiker. Ein Wermutstropfen?

Fuchs: Die Steuerreform ist bereits vor der Präsentation kritisiert worden. Offenbar sind da lauter Hellseher unterwegs. Die Behauptung, dass die Steuerreform für die Großkonzerne gebastelt worden sei, stimmt einfach nicht. Weniger als zehn Prozent des gesamten Entlastungsvolumens entfallen im Jahr 2022 auf Kapitalgesellschaften.

STANDARD: Und die gebrochenen Wahlversprechen?

Fuchs: Die Wahlversprechen sind im Regierungsprogramm gelandet, das wir Schritt für Schritt abarbeiten, insbesondere im steuerlichen Bereich. Es hat noch keiner gesagt, dass die Abschaffung der kalten Progression nicht kommen wird. Aber zuerst wird einmal das Steuersystem gerechter gemacht und am Ende eine Lösung präsentiert, wie die kalte Progression abgeschafft werden soll. Unser vorrangiges Ziel ist es, die Niedrigverdiener zu entlasten. Mit dem Sozialversicherungsbonus machen wir das möglich.

Fuchs und Kurz bei einer Nationalratssitzung im vergangenen Jahr.
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STANDARD: Die oft strapazierten Leistungsträger sind am stärksten von der kalten Progression betroffen. Warum wird ihnen nicht zurückgegeben, was man ihnen genommen hat?

Fuchs: Wir als soziale Heimatpartei wollen primär die Geringverdiener entlasten. Die Senkung der unteren Tarifstufen kommt ohnehin auch den höheren Einkommensbeziehern zugute. Denken Sie zudem an den Familienbonus Plus. Der greift erst zur Gänze, wenn Sie eine entsprechende Höhe an Einkommensteuer zahlen.

STANDARD: Kanzler Kurz begründet den Meinungsumschwung bei der kalten Progression auch mit der Reduktion der politischen Gestaltungsmöglichkeit.

Fuchs: Dass der Politik der Handlungsspielraum genommen wird, liegt auf der Hand. Daher wollen wir erst das Steuersystem gerechter machen, um es danach einzementieren zu können. Spätestens 2022 werden wir uns zusammensetzen müssen und das diskutieren.

STANDARD: Wären Sie persönlich für die Abschaffung?

Fuchs: Ich wäre grundsätzlich für einen Automatismus, wobei man überlegen kann, dass man erst ab Überschreiten einer bestimmten Grenze die Tarifstufen anpasst, beispielsweise bei drei oder vier Prozent. Aber grundsätzlich ist das ein Körberlgeld für den Finanzminister, das man vorher den Steuerzahlern weggenommen hat und dann großzügig verteilt. Das ist nicht fair.

Der Finanzstaatssekretär will als "soziale Heimatpartei" Geringverdiener entlasten.
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STANDARD: Warum wurde das Volumen der Entlastung von 4,5 auf 6,5 Milliarden Euro erhöht? Haben Sie plötzlich einen Geldtresor entdeckt?

Fuchs: Mit der Erstellung des Stabilitätsprogramms hat es neue Einsichten gegeben. Inklusive Familienbonus Plus können wir daher 8,3 Milliarden Euro den Steuerzahlern zurückgeben.

STANDARD: Wenn Österreich bei den lohnabhängigen Abgaben auf den Industriestaatendurchschnitt kommen wollte, müssten diese um fast 20 Milliarden Euro gesenkt werden. Sollte man gerade bei den Sozialbeiträgen nicht viel stärker reformieren, um den Faktor Arbeit zu verbilligen, und das mit Umweltsteuern gegenfinanzieren?

Fuchs: Uns ist völlig bewusst, dass der Faktor Arbeit viel zu teuer ist, aber mehr können wir uns derzeit nicht leisten. Natürlich hätten wir eine CO2-Steuer einführen können. Aber in einem ersten Schritt geht es um die Entlastung der Geringverdiener. Dass in weiterer Folge Maßnahmen im Bereich der Umwelt notwendig sind, ist uns bewusst. Hier wird es zu weiteren Maßnahmen kommen, auch um keine hohen Strafzahlungen zu riskieren. Es gibt auch nach 2022 eine Gesetzgebungsperiode. Was wir jetzt im Umweltbereich beschlossen haben, kann's nicht gewesen sein.

Der Experte Peter Brandner hat die Progression berechnet und in kalte und reale Progression unterschieden. Die kalte Progression ist inflationsbedingt, die reale resultiert aus Einkommenssteigerungen über der Teuerung.

STANDARD: Im Unternehmensbereich gibt es nicht nur die Senkung der Körperschaftsteuer, die 1,6 Milliarden Euro kostet, und die Tarifsenkung in der Einkommensteuer, sondern zahlreiche Goodies: höherer Gewinnfreibetrag, bessere Abschreibe- und Pauschalierungsmöglichkeiten usw. Wie begründen Sie das?

Fuchs: Gerade die großzügige Betriebsausgabenpauschalierung bis 35.000 Euro Jahresumsatz ist eine deutliche Vereinfachung, mit der wir den Unternehmern 400.000 Steuererklärungen ersparen. Ich war ja selber Steuerberater. Das macht nicht wirklich Spaß, wenn man eine Honorarnote von – sagen wir – 1000 Euro dem Unternehmer schickt, die Steuerersparnis aber nur 500 ausmacht. Der Unternehmer muss aber von Gesetzes wegen eine Steuererklärung abgeben. Die Anhebung der Grenze entlastet nicht nur den Unternehmern, sondern auch die Finanzverwaltung.

STANDARD: Wenig weiß man noch über die Anpassung der Steuer- an die Bilanzierungsvorschriften des Unternehmensgesetzbuches (UGB). Was ist hier geplant?

Fuchs: Das ist eine echte Strukturreform und ein extrem wichtiger Teil der Steuerreform. Derzeit müssen Sie von einer Bilanz nach UGB zu einer Steuererklärung kommen. Es macht viel Arbeit, beispielsweise zwei Rückstellungen zu berechnen. Das Gleiche gilt für Wertberichtigungen und andere Bereiche. Der Steuerberater wird nach der Zusammenführung weniger Arbeit haben.

STANDARD: Womit auch die Last sinkt, weil das Steuerrecht restriktiver ist als das UGB.

Fuchs: Die Neukodifikation des Steuerrechts kostet den Fiskus jährlich 200 Millionen Euro an Steuereinnahmen. Wir können leider nicht alles umsetzen, was vernünftig wäre, beispielsweise die Anpassung der steuerlichen Personalrückstellungen für Abfertigungen oder Pensionen an das UGB. Das können wir uns nicht leisten. (Andreas Schnauder, 4.5.2019)