Bewährte FPÖ-Strategie: Immer dreistere Provokationen lenken die Aufmerksamkeit auf die Partei.

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Mit dem auch von Rechtsextremen verwendeten Begriff "Bevölkerungsaustausch" kampagnisiert die FPÖ gegen Veränderungen in der österreichischen Gesellschaft. Man dürfe solche Provokationen freilich nicht ignorieren, erklärt die Sprachwissenschafterin Ruth Wodak. Im Gastbeitrag warnt sie aber davor, einen "eindeutig negativ konnotierten Begriff" wie im Pro- und Kontra-Kommentar zum "Einwanderungsland Österreich" verharmlosend zu gebrauchen.

In Wahlkampfzeiten geht es allen Parteien darum, möglichst viel Platz in den Medien zu ergattern und damit die Themenführung zu übernehmen. Die FPÖ hat seit vielen Jahren eine gut funktionierende Strategie dafür entwickelt, die ich schon häufig beschrieben habe: das "rechtspopulistische Perpetuum mobile". Immer wieder werden noch dreistere Provokationen gesetzt, um damit sämtliche Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Die Dynamik ist vorhersagbar: Alle Medien und Politiker müssen sich damit beschäftigen und reagieren, die FPÖ dementiert und konstruiert sich als Opfer einer gegen sie gerichteten Kampagne und Verschwörung. Sobald aber die jeweiligen, immer neu gesetzten "roten Linien" überschritten sind und Distanzierungen erfolgen (müssen), beginnt sich das Perpetuum mobile von neuem zu drehen. Wir kennen das alle – und dennoch reüssiert die FPÖ mit dieser Strategie immer wieder; so auch jetzt.

"Kurz"-fristige Distanzierung

Natürlich kann man solche Provokationen nicht immer ignorieren, vor allem dann nicht, wenn sie den demokratischen, antifaschistischen Grundkonsens unserer Republik verletzen. Beispielsweise, wenn Vizekanzler Heinz-Christian Strache den identitären Kampfbegriff "Bevölkerungsaustausch" in stark verharmlosender Weise verwendet und als einen "Begriff der Realität" bezeichnet. Die Distanzierung von den Identitären scheint vergessen, sie war offenbar nur "kurz"-fristig wichtig.

Dass aber im STANDARD, wo bestens fundierte Berichterstattung über die Identitären und die sogenannten fast täglich vorfallenden "Einzelfälle" verlässlich zu finden ist, eine Pro-Kontra-Diskussion zum Begriff "Bevölkerungsaustausch" abgeführt wird, ist nicht nur überraschend, sondern verstörend. Wie kann man einen solch eindeutig negativ konnotierten Begriff, der euphemistisch für "Zwangsumsiedlung" beziehungsweise den NS-Begriff "Umvolkung" steht, verharmlosend als "Wunsch nach Heimeligkeit" verstehen? Noch dazu im Kontext der rezenten Diskussion um die Verstrickungen von identitärer Ideologie mit der Ideologie der FPÖ, wie sie etwa im Handbuch freiheitlicher Politik zu finden ist?

Die negative Beurteilung solcher Begriffe einer "linken Sprachpolizei" in die Schuhe zu schieben, ist einfach falsch und unhistorisch argumentiert. Dies sind bekannte Strohmann-Argumente, die die Verschiebung der Grenzen des Sagbaren zu legitimieren versuchen.

Kein rhetorischer Unterschied

Es wäre wünschenswert, wenn erstens andere Themen und Herausforderungen, die unsere Zukunft betreffen, wieder mehr Platz fänden. Und wenn zweitens die Frage gestellt würde, ob tatsächlich zwischen der FPÖ auf EU-Ebene in Allianz mit Matteo Salvini, Marine Le Pen und Geert Wilders, und der Bundes-FPÖ, wie von manchen Regierungsbefürwortern behauptet, so große, ja signifikante Unterschiede bestehen? In der Rhetorik bestehen sie jedenfalls nicht. (Ruth Wodak, 3.5.2019)