Bundeskanzler Sebastian Kurz hat schon recht: Der im Jahr 2009 in Kraft getretene "EU-Vertrag von Lissabon" gehört reformiert. Umfassend sogar. Dieses geltende Regelwerk der Union ist im Kern bereits fast zwei Jahrzehnte alt. Es wurde 2002 als "EU-Verfassungsvertrag" erarbeitet. Der sollte den Bürgern Sorgen vor der großen Erweiterung um zwölf (arme) Staaten aus Ost- und Ostmitteleuropa nehmen: durch bessere Entscheidungsstrukturen, integrierte gemeinsame Innen- und Außenpolitik.

Leider haben Franzosen und Niederländer ihn nach Referenden 2005 abgelehnt. Er wurde notdürftig repariert, bei Erhalt der Substanz samt Grundrechtscharta. Aber in der Praxis klemmt es. Die auf 28 Staaten gewachsene EU zeigt sich unbeweglich in Krisen. Mitglieder blockieren einander. Die Briten wollen raus aus den Verträgen, kriegen das aber ohne Totalschaden nicht hin. Anders betrachtet: So eine EU-Reform ist eine komplexe, heikle, schwierige Sache, braucht Einstimmigkeit. Und da wären wir bei Kurz.

Mit Schlagworten im Wahlkampf kommt man als EU-Reformer nicht weit. Er will weniger EU-Kommissare? Könnte er haben. Das steht als Ziel schon im Vertrag. Die Regierungschefs (mit Kurz) müssten es nur endlich beschließen. Er will den Parlamentshauptsitz Straßburg schleifen? Kostet Kurz nichts, bringt aber Staatspräsident Emmanuel Macron auf die Palme. Fazit: Der Kanzler möge ein schlüssiges Konzept vorlegen, so wie Macron im September 2017. (Thomas Mayer, 5.5.2019)