Hier hängt der Himmel voller Würste. In der neuen Viktualienhandlung beim Stephansdom wird aber auch gekocht – und wie.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Eine kühle Suppe aus Schafsjoghurt und Paradeiserwasser schmeckt frisch, belebend, große Gemüseküche.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Stephansplatz samt Dom ist nur wenige Extrawurstlängen entfernt. Aber Alexander Mayer hat keine Extrawurst im Angebot – die saure Wurst macht er mit Kalbspariser. Und zwar mit jener der Fleischerei Seidl aus Neunkirchen, wo sie, wie einst, noch in den Buttdarm des Kalbs ("Pimmerling") gefüllt wird und auch sonst keine Grausligkeiten enthält. Wurst ist überhaupt ein großes Thema bei Mayer und Freunde, dem frisch eröffneten Delikatessgeschäft samt Nobelimbiss in der Jasomirgottstraße.

Jene aus dem Brühwurst-Paradies Deutschland sind dick da, die Weißwürste der Metzgerei Wallner aus der Großmarkthalle in München etwa oder ihre Regensburger, Pfälzer und Rostbratwürstel, der außerordentlich gute Leberkäse aber auch. Aus Frankreich kommen Saucissons secs, Rauchwürste aus der Franche-Comté ("Morteau"), Dauerwürste aus der Auvergne, baskische Rohschinken ("Bayonne").

Von jenseits der innerbaskischen Grenze steuert Extremfleischer Txogitxu pure Rindfleisch-Chorizo ebenso bei wie den spektakulär guten Rinder-Rohschinken Cecina und seine, für endlos tiefen Fleischgeschmack gerühmten Steaks von der ganz alten Milchkuh.

Käse bringt der beste Mann auf dem Markt, Stephan Gruber (kaes.at). Sauerrahm, Bröseltopfen, Schafsjoghurt kommen von der zu Recht gerühmten Käserei Höflmaier aus Lochen am See. Der nahe Wollschweinzüchter Feichtinger in Ried steuert Frischfleisch, Grammeln, Schinken bei.

Bretonische Fischdosen, Senfe und Öle, Cornichons, Wildzwiebeln und anderen Konserven der hinterhältig guten Art muss man bitte selber in Augenschein nehmen, dafür reicht der Platz hier nicht aus.

Klingt paradiesisch? Ist es auch, ein bissl ein Kleingeld muss man halt einstecken haben. Aber die Idee von Alexander Mayer, seiner Frau Nathalie Le Reun und seinem Kompagnon Daniel Gahleitner, der Wiener Innenstadt nach dem Exitus von Böhle und Wild wieder eine Feinkosthandlung zu geben, die der Eigenwahrnehmung Wiens als Phäaken-Enklave gerecht wird, ist bestechend. Dabei kann das Lokal noch viel mehr.

Alexander Mayer ist ja nicht zufällig einer der tollsten Köche der Stadt. Der Mann mag vorzugsweise in kurzen Lederhosen, Steirerwams und Erzherzog-Johann-Hut unterwegs sein, er ist aber keinesfalls Verfechter des allzu eng gedachten Regionalen. Das lässt sich am Gemeinschaftstisch überprüfen, der nahtlos an die Budel anschließt und an dem – nur bis 17 Uhr – vier bis fünf täglich wechselnde Mayer-Gerichte zu ordern sind.

Löffel, bitte!

Eine kühle Suppe aus Schafsjoghurt und Paradeiserwasser zum Beispiel (siehe Bild), mit Artischocken, Spargel, chlorophyllgrünem Kräuteröl und piemontesischen Haselnüssen, frisch, belebend, große Gemüseküche. Oder eine Art Ceviche vom Zander in geeistem Fischfond, mit eingelegten und frischen Radieschen, mit Thai-Chili, Kaffir-Limette und Koriander – pure, scharfe, klare Power, eine Suppe, die der Frühjahrsmüdigkeit Beine macht.

Auch der nächste Gang, Mangalitza-Grammelknödel aus Schmalzteig in Stosuppe mit Kohlrabi und eingelegtem Spitzkraut, will mit dem Löffel gegessen werden, "mei liabstes Besteck", wie Mayer im Vorbeigehen hinwirft.

So geht es dahin, mit Klachl-Dashi (?) samt Klachl-Gyoza, Judasohr (knackt wie Schweinsohr, ist aber ein Schwammerl), rohen Erbsen und Jungzwiebeln etwa oder mit einer scharf gegrillten Schnitte alte Milchkuh, von epochaler Geschmackstiefe und Saftigkeit, zu der es die – restlos köstliche – Sardellensalsa mit Zwiebel und Petersil gar nicht braucht.

Samstag hat die Küche Pause, da gibt's nur die guten Würste. Und abends? Kann man ab acht Personen den Tisch für sich allein ordern und die Küche Mayers dazu. Irgendwann soll es auch Chef's Table Dinners geben, mit vorab via Facebook fix verkauften Plätzen. Mayer: "No-Shows kann ich mir nicht leisten bei der Miete!" (Severin Corti, RONDO, 10.5.2019)

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