Freunde kommen zum Essen, aber statt leckeren Nierenbratens gibt es eskalierende Konflikte: Das Thema in den Kammerspielen ist "Nierenspende für die Liebste" oder eben doch nicht.

Foto: Astrid Knie

Im Ehebund soll ein Paar nicht nur die Zeit, sondern auch die Güter teilen. So will es das Gesetz! Ob bei Bedarf auch Anspruch auf die nicht unbedingt notwendige gesunde Niere des Partners erhoben werden kann, ist im Ehevertrag allerdings nicht geregelt. Doch genau darum bittet Kathrin (Martina Stilp) ihren Ehemann Arnold in Stefan Vögels Die Niere. Er soll ihr eine Niere abtreten.

Die Wartezeiten für Spendernieren sind zu lang, das Risiko für Arnold ist aber überschaubar. Klingt wie eine ausgemachte Sache, schließlich steht das Leben seiner Gattin auf dem Spiel. Selbst für den erfolgreichen Egoisten Arnold wäre das eine Win-win-Situation. Meint man. Doch das Leben des Ehepaars wird in den Kammerspielen kompliziert. In ihrer Designerwohnung (Bühnenbild: Stephan Dietrich) bricht ein Streit über den Stellenwert des jeweils anderen aus.

Um den Spannungsbogen zu halten, braucht das Stück steile Wendungen, die nur mit Stereotypen zu rechtfertigen sind: Die Figur des erfolgreichen Architekten Arnold (Martin Niedermair) lebt vom Bild des hirnlosen Machos, der nichts anderes als seine Arbeit im Kopf hat. Ins sterile Wohnzimmer ließ er sich sogar ein Modell seines Prestigeprojekts, des Diamond-Towers, stellen. Dieser schwebt in der Inszenierung als überdimensionaler Phallus über dem Geschehen.

Ein moralisches Angebot

Erfrischend wirkt der Auftritt des befreundeten Ehepaars Diana (Pilar Aguilera) und Götz (Oliver Huether). Sie kommen zum Essen, wollen Arnolds Turm feiern. Doch das Dinner eskaliert: Götz bietet Kathrin prompt seine zweite Niere an. Hinter diesem Angebot sieht Arnold nur einen Annäherungsversuch an seine Gattin. Niedermaier muss wieder den eifersüchtigen Gockel geben.

Ja, nach Anlaufschwierigkeiten überzeugen alle in ihren Rollen. Allerdings: Statt mit klugen Pointen, endet fast jede Szene mit einer metaphorischen Anspielung auf das menschliche Entgiftungsorgan. Das sind ein paar Nieren zu viel: Kathrin entpuppt sich als die hinterlistige Frau, die ein Drama inszenierte, nur um die Treue ihres Mannes auf die Probe zu stellen. Enttäuscht trennt sie sich und lässt ihren Typen mit einem Nierenbraten im Rohr zurück.

Zu diesem Zeitpunkt allerdings ist die Nierenallegorie längst durchgebraten und das Stück in sich implodiert. Das hat Regisseur Folke Braband erschreckend ehrlich inszeniert: Das überdimensionale Modell von Arnolds Turm beginnt zu wackeln und zu rauchen. Vielleicht verursachten die vielen klischeehaften Schenkelklopfer den finalen Kurzschluss. (Laurin Lorenz, 6.5.2019)