Wann immer es um Vorzeigestaaten in der EU geht, stehen skandinavische Länder zumeist an vorderer Stelle: soziale Gerechtigkeit, Gleichstellung zwischen Mann und Frau, gelungene Integration, gute Bildung. Malmö im Süden Schwedens ist anders. Seit einigen Jahren machen Gangs die Straßen der 320.000 Einwohner zählenden Stadt unsicher. 2018 gab es 47 Schießereien auf offener Straße, einige endeten tödlich. Malmö ist die Stadt mit der höchsten Migrationsrate. Man hat ein Problem.
Magdalena Punz fährt mit einem ehemaligen Gangmitglied durch die Problemzonen. Freddy bringt sie ins Drogenviertel. "Muss ich Angst haben?", fragt die Journalistin. "Nein", sagt Freddy. "Wir sind ja nicht in Mexiko, wir sind in Schweden."
An den Rändern Europas ist die Puls-4-Reihe Ansichtssache mit vier Ausgaben von Am Rand – Europas Jugend ohne Zukunft ab Dienstag, 22.25 Uhr, unterwegs.
Im Rahmen des Projekts begaben sich die Journalistinnen Magdalena Punz und Alina Rheindorf an brisante Nebenschauplätze. Bei Schießereien starben allein im vergangenen Jahr zwölf Männer . "Es sind Hinrichtungen geworden", sagt ein Polizeibeamter vor laufender Kamera. "Einige von ihnen glauben nicht einmal daran, dass sie 25 Jahre alt werden", sagt die Sozialarbeiterin Anna von Reis.
Die Wurzel des Problems liegt in der Rechtsprechung: In Schweden gibt es keine Möglichkeit, dass Zeugen anonym aussagen. Niemand traut sich offen gegen die Bandenchefs aufzutreten. Also geht das Morden weiter.
Wenig Vertrauen in die Wirkkraft der Bilder
Der Erzählstil ist im für Privatfernsehen typischen Dokutainment-Stil gehalten, Konservenmusik, viel zu viele Kommentare aus dem Off, die dazu neigen, Dinge zu beschreiben, die so nicht zu sehen sind – wenn etwa die Reporterin mit einem jugendlichen Bewohner durch die – durchaus friedlich und aufgeräumt wirkende – Großsiedlung schlendert und dabei aus dem Off betont wird, wie gefährlich es hier doch sei. Daraus spricht wenig Vertrauen in die Wirkkraft der Bilder und die Aussagen der Gesprächspartner, die doch stark genug wären, um für sich zu sprechen.
"Am Rand" sind auch Jugendliche in Ahen. Wir sehen zwei junge Frauen, die sich prostituieren müssen, um ihre Familien zu ernähren. "Die griechischen Studentinnen an den Universitäten machen es für zehn, fünfzehn Euro", erzählt eine Sexarbeiterin. Sie finanzieren so ihr Studium, die Preise seien in den letzten Jahren stark gesunken. "Niemand will es hören", sagt der Universitätsprofessor Grigoris Lazos.
Ebenfalls im ersten Film wird die Situation junger Samen in Finnland gezeigt. Sie bangen um die Rentiere, die sie seit Jahrtausenden züchten und ihr Überleben sichern. Der Klimawandel gefährdet ihre Existenz. Durch die Erderwärmung fällt oft Regen statt Schnee, was den Tieren das Vorankommen erschwert. Wenn es keine Rentiere mehr gibt, haben aber nicht nur die Züchter ein Problem, sondern auch der Tourismus im Land. Für junge Menschen ist es in jedem Fall doppelt schwer.
Weitere Dokus zur EU-Wahl folgen die Wochen darauf: "Geburtslotterie – bestimmt dein Land deine Chancen?" von Alexandra Wachter und Thomas Schwantzer am 14. Mai, sowie "Europa – Kontinent der Hoffnung" von Manuela Raidl, unterstützt von Gorgy Walid und Aida Mujanovic am 21. Mai, jeweils um 22.25 Uhr auf Puls 4. (Doris Priesching, 7.5.2019)