Alice Roberts, "Spiel des Lebens". € 24,70 / 374 Seiten. wbg Theiss, Stuttgart 2019

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Geschichte als nüchterne Aneinanderreihung von Namen und Jahreszahlen ist längst passé. Systemische Betrachtungen, die Faktoren wie Klima, Ressourcen, Epidemien oder Infrastruktur miteinbeziehen, haben sich etabliert und in jüngerer Vergangenheit so unterschiedliche Bücher wie Jared Diamonds wegweisende Analyse "Guns, Germs And Steel" oder Ryan Norths "How to Invent Everything", einen humorvollen Leitfaden zur Zivilisationsgründung, hervorgebracht.

In diesen Trend hat sich nun auch die britische Anthropologin Alice Roberts eingeklinkt, um sich neun domestizierten Spezies zu widmen, ohne die unsere Zivilisation etwas anders aussähe oder vielleicht sogar nie entstanden wäre: Hund, Rind, Pferd, Huhn, Weizen, Mais, Kartoffel, Reis und Apfel. All diese Spezies "sind nun in unserem Team", wie Roberts es ausdrückt – und der zehnte Spieler sind natürlich wir selbst.

Missgeschicke und Zufallsfunde

Roberts fokussiert in "Spiel des Lebens" auf die Ursprünge der Partnerschaften mit Tieren und Pflanzen, die wir im Zuge der sogenannten neolithischen Revolution schlossen. Und sie verwirft ausdrücklich die stolze Vorstellung von jungsteinzeitlichen Masterminds, die die Natur danach katalogisierten, was sich denn am besten für Ackerbau und Viehzucht eigne. Stattdessen sei die Domestizierung eine wechselvolle Geschichte von Missgeschicken, Notständen, Zufallsfunden und nicht zuletzt Symbiosen gewesen. Und nicht immer waren wir Menschen die einzige treibende Kraft, wie Roberts im Kapitel über die Hundwerdung des Wolfs erläutert.

Die primär aus genetischer Perspektive betriebene Suche nach den Ursprüngen hat auch eine interessante Parallele herausgefiltert. Das Erbgut von Haustieren und Nutzpflanzen wurde im Zuge von deren globaler Verbreitung immer wieder durch Kreuzungen mit verwandten wild lebenden Spezies variiert, die in neubesiedelten Regionen bereits vorhanden waren. Wem dieses Muster bekannt vorkommt: Auf die gleiche Weise hat der in die Welt hinausziehende Homo sapiens einst den Neandertaler, den Denisova-Menschen und andere in sich aufgenommen. (jdo, 11.5.2019)