Ein Linux-Kernel im Windows-Lieferumfang und ein Microsoft-Browser auf Basis einer Open Source-Engine. Was vor nicht allzu langer Zeit noch als klassisches "Hölle friert zu"-Szenario galt, ist nun Realität. Der Edge-Browser läuft künftig auf Chromium und erscheint für alle relevanten Plattformen. Auch für Apples macOS gibt es bereits eine frühe Beta-Ausgabe.

Dieser Schritt hat natürlich tiefgreifendere Konsequenzen. Denn Microsoft will selbst auch zur Weiterentwicklung von Chromium beitragen. Dafür wagte man nicht nur einen weiteren Neuanfang für den eigenen Browser, sondern arbeitet man mit Google zusammen, das nicht nur in diesem Bereich ein Konkurrent der Redmonder ist. Eine monumentale Entscheidung, die nun von The Verge aufgearbeitet wurde.

Sinneswandel nach Erfolglosigkeit

Microsoft hatte erkannt, dass eine Änderung für Edge notwendig war. Denn das einstige Prinzip, eigene Software über die Mitauslieferung in Windows populär zu machen, funktionierte nicht mehr. Obwohl Edge Bestandteil von Windows 10 ist, konnte man auch nach mehreren Jahren kaum relevante Marktanteile gewinnen, während Googles Chrome sich weiter als Platzhirsch einzementierte. Eine Situation, die CEO Satya Nadella zunehmend frustrierte.

Die Keynote der MS Build 2019.
Microsoft

Neue Basis, neue Features

Dagegen helfen sollen nun zahlreiche neue Features. Seiten sollen sich komfortabler organisieren lassen, Inhalte aus diversen Quellen einfach gruppieren und in Dokumente verarbeiten. Unternehmen dürfen sich über die Integration der Microsoft Search und einen "Internet Explorer"-Modus freuen, der es ermöglicht, interne Werkzeuge, die noch auf Microsofts altem Browser fußen, weiter verwenden zu können, ohne gleichzeitig zwei Surftools zu nutzen.

Ausgebaut werden auch Privatsphäre-Features. Künftig soll der Browser ein genaueres Management von Trackern zulassen. Hinzu kommt, dass die Chromium-Basis ihn einfacher mit Extensions erweiterbar macht.

Genug Raum für Differenzierung

Die eigenen Beiträge zu Chromium werden dabei von Googles Entwicklern hinter dem Projekt offenbar freudig angenommen. So stellen Programmierer von Microsoft etwa angefangene und dann aber pausierte Projekte fertig. Beispielsweise setzt man ein Feature um, dass es erlauben soll, auf Mobilgeräten Datumsangaben deutlich komfortabler in Formulare eingeben zu können. Die Google-Entwickler hatten die Finalisierung erst in mehreren Monaten geplant.

Microsofts Softwarechef Joe Belfiore sieht das Spannungsverhältnis aus Zusammenarbeit und Konkurrenz gelassen. Es gehe um die gemeinsame Erarbeitung von Standards und einer Web-Implementierung, die auch auf Windows-Geräten gut funktioniert. Abseits der Kollaboration gibt es seiner Ansicht nach genug Raum, um durch Differenzierung in den jeweiligen Browsern weiterhin im Wettbewerb zu stehen.

Ein Video zur Zukunft von Edge.
Windows

Mozilla warnt vor Chromium-Monopol

Mit Unbehagen beobachtet wird die Entwicklung von der Nummer 2 im Browsermarkt und dem einzigen relevanten Anbieter, der noch nicht auf Webkit btw. Chromium setzt: Mozilla. Dort plagt man sich schon länger mit schwindenden Marktanteilen trotz Umstellung auf die flottere "Quantum"-Engine.

Zuletzt warf der einstige Firefox-Vize Johnathan Nightingale Google vor, Firefox immer wieder mit angeblichen "Unfällen" torpediert zu haben. Mal schilderte Ein Google-Service den Mozilla-Browser fälschlicherweise als inkompatibel aus, mal kam es zu unerklärlichen Performanceeinbrüchen auf dem alternativen Surftool. Stets beteuerte man seitens Google, dass es sich um Versehen gehandelt habe, das bald korrigiert werde. Er sei nicht dafür, anderen sofort böse Absichten zu unterstellen, wenn man Vorfälle mit Inkompetenz erklären könne. Jedoch halte er Google nicht für inkompetent.

Mit Firefox weiter für's "wirklich offene Web"

Man fand man schon zur Ankündigung des Chromium-Edge-Projekts kritische Worte und beklagte eine schädliche Monopolisierung von Webtechnologie. Diese könne dazu führen, dass künftige Webstandards schlicht für Chromium-Browser optimiert würden, während Firefox ständig Aufholbedarf hätte. Daher werde man weiter an der eigenen Engine festhalten und für ein "wirklich freies Web" kämpfen. (red, 07.05.2019)