Die Universität Innsbruck begeht heuer ihr 350-Jahr-Jubiläum.

Foto: APA/UNIVERSITÄTSARCHIV INNSBRUCK

Innsbruck – Ein interdisziplinäres Forschungsteam beschäftigt sich seit Mitte 2016 mit der Rolle des Institutes für Anatomie der Universität Innsbruck während der NS-Zeit. Nun haben sich die Wissenschafter in einer Publikation mit den NS-Opfern befasst, die an der Anatomie für Forschung und Lehre verwendet wurden. Bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Innsbruck bezifferten die Wissenschafter die Anzahl dieser Opfer mit 128.

Mehr als nur Zahlen

Von den insgesamt 199 Körpern, die zwischen 1938 und 1943 am Anatomischen Institut für Lehre und Forschung verwendet wurden, stammt somit ein guter Teil aus "NS-Unrechtskontexten", wie der Historiker und Autor des Artikels, Herwig Czech von der Medizinischen Universität Wien, betonte. Diesen Menschen, die beispielsweise im Gefängnis Stadelheim in München hingerichtet wurden oder in der Psychiatrie Hall starben, wolle man nun ihre "individuelle Geschichte" zurückgeben, meinte Czech. So habe man sich bewusst entschieden, die Namen der NS-Opfer zu nennen und die jeweiligen Geschichten darzustellen. "Es soll nicht nur um Zahlen gehen", konkretisierte der Ethiker die Intention der Autoren.

Gerade die exakte Identifikation der Sezierten gestaltet sich jedoch schwierig. So konnte lediglich der Name eines jüdischen Opfers, Theresia Reich, verifiziert werden. Die aus Meran stammende Frau ist im Lager Innsbruck-Reichenau verstorben. Man stehe aber bereits unter anderem mit der russischen Botschaft und der israelitischen Kultusgemeinde in Kontakt, sagte ein weiterer Autor des Papers, Erich Brenner, der auch als Projektleiter agiert und an der Medizinischen Universität Innsbruck in der Sektion für Klinisch-Funktionelle Anatomie tätig ist. "Natürlich erhoffen wir uns durch die Publikation mit den Nachfahren in Kontakt zu kommen", fügte er hinzu.

Präparate bis 1957 in Verwendung

Deutlich leichter zu rekonstruieren und konkretisieren als die Namen der Leichen ist deren Verwendung, Herkunft und Todesursache. Dafür sorgen die Dokumentationen der NS-Justiz und die Aufzeichnungen am Institut selbst. Dadurch lässt sich auch nachweisen, dass am Institut zumindest bis zum Jahr 1957 Präparate aus dem NS-Umfeld verwendet wurden. "Die Spuren reichen in unserem Nachbarinstitut, der Histologie, aber bis in die 1980er", sagte Czech in diesem Zusammenhang.

Eine Tatsache, die auch die jetzige Direktorin der Sektion für Klinisch-Funktionelle Anatomie der Medizinischen Universität, Helga Fritsch, dazu veranlasste sich für die Rolle des Institutes während der NS-Zeit zu entschuldigen. "Wir werden uns außerdem mit dem Gedenken dieser Menschen beschäftigen, möglicherweise mit einer Gedenktafel oder ähnlichem", meinte sie.

350-Jahr-Jubiläum der Universität Innsbruck

"Außerdem werden die Studierenden seit geraumer Zeit in den ethischen Begleitveranstaltungen auf die Geschichte des Institutes hingewiesen", ergänzte sie. Zudem sah der Dekan der Philosophisch-Historischen Fakultät, Dirk Rupnow, den Zeitpunkt der Publikation zum heurigen 350-Jahr-Jubiläum der Universität Innsbruck gut gewählt. "Dieses Projekt und dieses Paper gehören in diesen Kontext mit hinein, schließlich geht es ja nicht nur darum, das Jubiläum einfach abzufeiern", erklärte dieser. (APA, red, 8.5.2019)