Im Zuge eines Konflikts an einer Wiener HTL hat ein Lehrer einen Schüler angespuckt.

Foto: Christian Fischer

Jeder weiß es, niemand redet (öffentlich) darüber: Die aggressiven Burschen, die den Lehrer an der HTL Ottakring mobbten, bis er durchdrehte, kommen aus dem Migrantenmilieu. Möglicherweise schon dritte Generation, aber das Verhalten entspricht einer Macho-Mentalität, wie sie in manchen türkischen, albanischen, tschetschenischen, serbischen usw. Familien gepflogen und ermutigt wird.

Pubertierende Burschen (wobei es sich in dem Ottakringer Fall bereits um 18-Jährige handeln soll) neigen in jeder Kultur zu auftrumpfendem Verhalten, und ob man jetzt 18-Jährige, die einander mit schweren Säbeln das Gesicht zerhacken und Unmengen von Bier saufen, für "unserer Kultur" angemessener halten soll, ist echt die Frage. Und was war in der Psychostruktur der jungen Männer, die seinerzeit freiwillig zur SA und SS gingen, so grundsätzlich anders?

Gewisse gesellschaftliche Gegebenheiten erzeugen ein gewisses Verhalten, und davor kann man nicht die Augen verschließen. Viele der Zuwandererfamilien der 60er-und 70er-Jahre kommen aus Ländern, in denen der Staat als Unterdrücker und Feind betrachtet wurde und der Familienclan als allein gültige Einheit, die Schutz verspricht und der man daher allein Loyalität schuldet. Dazu kommt ein übersteigerter Nationalismus, der Armut und Entwicklungsrückstände kompensieren soll. Das ist so auf dem Balkan, in der Türkei, in arabischen Ländern oder in Tschetschenien und Afghanistan, wo eine gewisse Grundaggressivität fast Überlebensvoraussetzung ist.

Für viele dieser jungen Leute ist die Anerkennung staatlicher Autorität, vertreten durch Schule und Lehrer, nicht selbstverständlich. Die liberale Pädagogik, die ohne wirkliche Strafen auskommen will, erscheint ihnen als lasch und unmännlich.

Rohrstaberlpädagogik

Wenn Lehrer sich mit totaler Respektlosigkeit konfrontiert sehen und nicht adäquat reagieren können; wenn die Schulleitung offenbar ahnungslos ist oder sich so gibt, dann ist schnell der Boden für menschliche Tragödien und ein paar verpfuschte Leben bereitet, von Schülern wie von Lehrern.

Eine Rückkehr zur Rohrstaberlpädagogik ist nicht die Lösung. Schon gar nicht faschistische Fantasien wie die von "Erziehungslagern für Problemjugendliche", wie der Wiener FPÖ-Vizebürgermeister ohne Beschäftigung, Dominik Nepp, gefordert hat (wie lange leistet sich die ÖVP noch einen solchen Koalitionspartner?). Bei den Vorfällen in der HTL Ottakring handelt es sich sicher nicht um einen Einzelfall.

Die offenkundige Antwort – mehr Sozialarbeiter, Psychologen, Verhaltenskurse etc. an den Schulen – ist auch die richtige. Wahrscheinlich wird man auch in den Schulverwaltungen über ein wirksameres Sanktionssystem nachdenken müssen.

Aber in Wirklichkeit liegt das Problem auf einer höheren Ebene: Aus soziologischen und auch historischen Gründen erkennen etliche Zuwanderer die Autorität der liberalen, westlichen Demokratie nicht so richtig an, haben noch andere Wertvorstellungen und Loyalitäten. Vieles davon sicher als (Trotz-)Reaktion auf die hierzulande übliche Diskriminierung (auch der Rückzug ins Islamische ist teilweise dadurch bedingt). Diese Kluft muss durch vermehrtes Zugehen zum Beispiel der Schulverwaltungen auf die Zuwanderer-Communitys verringert werden. Noch eine Aufgabe für ohnehin schon überbelastete Lehrer und Direktoren. Aber es geht nicht anders. Sonst produzieren wir weitere Generationen von entfremdeten Jugendlichen. (Hans Rauscher, 7.5.2019)