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Tony Appleton verkündet die Geburt von Baby Sussex.

Foto: AP / Alastair Grant

Verfügen Sie über "exzellente mündliche Kommunikationsfähigkeit", eine "Stimme, die Autorität ausstrahlt", und haben Sie Freude daran, sich in altertümlicher, rot-goldener Gewandung und mit Dreispitz der Öffentlichkeit zu präsentieren? Dann könnten Sie es Tony Appleton, dem vielleicht berühmtesten Vertreter der Profession, gleichtun und zum Stadtschreier einer britischen Gemeinde werden. Kidderminster in der Grafschaft Worcestershire sucht gerade einen neuen Freiwilligen mit diesem Profil. 500 Pfund pro Jahr bietet die Stadt als "Ausdruck des Danks und für Reparaturen am Kostüm" an.

Tony Appleton bei der Arbeit.
News 19 WLTX

Tony Appleton, das ist jener 83-jährige Mann, der den eigentlich mittelalterlichen Berufsstand zu neuer Bekanntheit geführt hat. Obwohl keineswegs im offiziellen Dienst der britischen Krone, lässt er es sich nicht nehmen, große Ereignisse im Leben der britischen Royals als deren "Town Crier" offiziell zu verkünden – zuletzt die Geburt des Sohnes von Herzogin Meghan und Prince Harry.

48 Stunden lang alle 15 Minuten

Keineswegs ist er aber der einzige Vertreter seiner Zunft. Dutzende Gemeinden versuchen, die Position wiederzubeleben. Zwei Berufsvertretungen – die Ancient and Honourable Guild of Town Criers und die Loyal Company of Town Criers – listen je dutzende Mitglieder. Auch Wettbewerbe gibt es: Alan Myatt aus Gloucester schrie bei einem solchen 2011 mit 112,8 Dezibel, so laut wie eine Kettensäge. Innerhalb von 48 Stunden verlas er auch alle 15 Minuten einen Hundert-Wort-Text: Ausdauerrekord!

Dabei muss man ehrlich sein: Heute handelt es sich meist um Nebentätigkeiten im Auftrag des Tourismus oder der örtlichen Wirtschaft. Ganz anders als früher. Da erfüllten die Stadtschreier hochoffizielle Dienste. Sie brachten Nachrichten des Königshauses in entlegene Winkel, in denen kaum jemand lesen oder schreiben konnte. Weil die Nachrichten nicht immer positiv waren, standen die "Town Crier" unter besonderem Schutz – wer einen angriff, weil dieser etwa neue Steuern ankündigte, beging Hochverrat. Manchmal ging es aber auch damals um Banaleres: Im deutschen Goslar etwa gab es einen Stadtschreier, der die Bevölkerung erinnerte, am Tag vor dem Bierbrauen den Fluss, aus dem das Wasser dafür kam, nicht als Toilette zu nutzen.

Die meisten Stadtschreier folgen ihrer Berufung jedenfalls auch heute mit Leib und Seele. Peter Moore, Stadtschreier von London, starb 2009 – einen Tag nachdem er 70-jährig in Pension gegangen war. (Manuel Escher, 7.5.2019)