STANDARD: Sie waren Mitglied einer sozialistischen Gruppierung im Baskenland, arbeiteten für die Regionalregierung des sozialistischen Partido Socialista Obrero Español (PSOE). Warum jetzt die Kandidatur für den konservativen Partido Popular (PP)?

Uriarte: Weil der PP die Partei ist, an deren Grundsätze ich glaube. Ich war vorher nie aktiv als Kandidatin in der Politik. Aber als Pablo Casado, der Chef des PP, mich fragte, ob ich für seine Partei antrete, habe ich sofort zugesagt.

STANDARD: Mitglied des PP sind Sie aber nicht?

Uriarte: Nein, das war ich auch nie. Und um sich als Kandidatin aufstellen zu lassen, muss man kein Parteimitglied sein. Für mich ist das alles neu. Ich bin politische Analystin, aber es ist das erste Mal, dass ich den Schritt ins Innere der Politik mache.

STANDARD: Warum der Wechsel von links nach rechts?

Uriarte: Meine Nähe zum PSOE, das war, als ich jung war, vor vielen, vielen Jahren.

STANDARD: Da wären Sie nicht die Erste, die sich in jungen Jahren den Linken zugehörig fühlt und dann zu den Konservativen wechselt ...

Uriarte: Mit meinem Alter hat das nichts zu tun. Diese Entwicklung hin zur politischen Rechten ergab sich vor allem durch meine Enttäuschung über den PSOE im Kampf gegen Nationalismen in ganz Spanien und gegen den Terrorismus. Der war im Baskenland mit der ETA ein großes Thema.

STANDARD: Sie schreiben, Sie seien Opfer einer terroristischen Attacke der Untergrundorganisation geworden. Haben Sie sich deshalb letztendlich von linken Positionen entfernt?

Uriarte: Nein. Die Attacke der ETA, in meinem Fall eine Bombe, die nicht zündete, ist etwas, das damals vielen passiert ist, die die Freiheit verteidigen wollten und sich gegen den Terrorismus stellten. Ich bin nur eine von vielen. Unglücklicherweise hält die spanische Linke weiterhin an permanentem Verständnis, Unterstützung und der Rechtfertigung radikaler Nationalismen fest.

STANDARD: Wie jetzt im Fall von Katalonien?

Uriarte: Der Rest Europas muss erfahren, dass die nationalistischen Parteien in Katalonien Gesetze und unseren Rechtsstaat missachtet haben.

STANDARD: Was wäre die Lösung für den Unabhängigkeitsstreit?

Uriarte: Das Gesetz muss erfüllt werden, und wir müssen den Rechtsstaat verteidigen. Wenn der Rechtsstaat fällt, fällt auch die Demokratie.

STANDARD: Dann ist ein Dialog mit katalanischen Separatisten, wie Pedro Sánchez ihn angekündigt hat, für Sie keine Option?

Uriarte: Ein Dialog? Klar! Solange die Inhalte sich im Rahmen des Gesetzes bewegen. In den Ansätzen der politischen Linken sehe ich viele Begrenzungen und Probleme.

STANDARD: Welche sind das?

Uriarte: Zum Beispiel das Konzept der Gleichheit, das leider in einem Übermaß an staatlichen Vorgaben endet. Und auch, dass die Linke – nicht nur in Spanien, sondern in ganz Europa – keine eindeutig ablehnende Haltung gegenüber jeglicher Form der Diktatur hat, zum Beispiel gegenüber Kuba oder Venezuela. Das ist bei den europäischen liberal-konservativen Parteien anders. Die positionieren sich klar gegen jede Form der Diktatur. Das Prinzip der Freiheit haben die Linken nicht so klar.

STANDARD: Auch am PP gab es viel Kritik – und zahlreiche Korruptionsskandale. Bedroht nicht auch Korruption die Demokratie?

Uriarte: Korruption hat nicht direkt etwas mit Freiheit zu tun. Korruption von Politikern und Funktionären ist ein großes Problem in allen Demokratien, das bekämpft werden muss. Es betrifft immer die Parteien, die regieren. Auch den PSOE.

STANDARD: Waren Sie auch schon unter Mariano Rajoy eine Verfechterin des PP?

Uriarte: Ja, der PP hat eine lange Geschichte und sehr dauerhafte Grundsätze. Ein Führungswechsel hat deswegen nur einen geringen Einfluss.

STANDARD: Was ist mit rechtsextremen Parteien wie der Vox, die jetzt ins Parlament eingezogen ist? Kann man mit so einer Partei koalieren?

Uriarte: Mir fällt auf, und damit vergleiche ich Spanien wieder mit dem Rest Europas, dass es eine große Sorge wegen rechtsextremer Parteien gibt, trotzdem aber eine beachtliche Unterstützung linksextremer Positionen. In ganz Europa wird das Wahlergebnis von Vox betont, wegen des deutlich besseren Ergebnisses der linksradikalen Podemos, die jetzt wieder die Regierung von Pedro Sánchez unterstützen wird, macht sich aber bisher niemand Sorgen.

Barcelona: Katalanische Unabhängigkeitsdemonstranten werfen Steine. Die Aktion ist Teil des Protests gegen die rechtsextreme Partei Vox.
Foto: AFP/JOSEP LAGO

STANDARD: Also sind auch linksextreme Parteien eine Bedrohung für die Demokratie?

Uriarte: Für mich ist die größte Bedrohung in Spanien, über die wir vor allem reden müssen, jene durch den radikalen Nationalismus und die extreme Linke. Denn das sind diejenigen, die die sozialistische Regierung stützen werden.

Eine Demonstration gegen den Prozess gegen katalanische Separatistenführer vor Antonio Gaudís Casa Milà in Barcelona.
Foto: AFP/LLUIS GENE

STANDARD: Eines Ihrer Bücher trägt den Titel "Zehn Gründe, rechts zu sein und sich zu trauen, es zu sagen". Was ist der wichtigste Grund?

Uriarte: Der erste Grund, den ich in dem Buch ausführe, ist "Der Wandel kommt von rechts". Damit möchte ich eine Idee infrage stellen, die in ganz Europa verfolgt wird: nämlich dass Wandel immer von links komme. Das stimmt nicht. Manchmal war das vielleicht so. In den letzten Jahren kam er in Spanien aber meist von der politischen Rechten.

STANDARD: Wann zum Beispiel?

Uriarte: Es war die Rechte Westeuropas, die das Ende kommunistischer Diktaturen brachte und den Wandel in Richtung der Freiheit. In Spanien war es die Rechte, die einen Wandel in der Einstellung gegenüber dem Terrorismus der ETA anleitete.

STANDARD: Im spanischen Wahlkampf spielte Feminismus eine wichtige Rolle. In Ihrem neuen Buch widmen Sie sich diesem auch durch die Auseinandersetzung mit links und rechts.

Uriarte: Ja, ich möchte klarmachen, dass die Idee der Gleichheit der Frau gleichermaßen von links wie von rechts verteidigt wird, auch wenn es unterschiedliche Ausprägungen des Feminismus gibt. Doch er ist nicht exklusiv links. Die ersten Gleichheitsbewegungen wurden vor allem durch liberale Feministinnen angestoßen.

STANDARD: Was ist für Sie persönlich nun nach der Wahl das wichtigste Thema, dem Sie sich im Parlament widmen möchten?

Uriarte: Das ist etwas, das wir in den kommenden Tagen organisieren werden. Mich persönlich interessieren verschiedene Themen. Zum einen all die Arbeit, die mit der Verteidigung unseres Rechtsstaats und der Einheit Spaniens zu tun hat und dem Konflikt um Katalonien ein Ende setzen soll. Und dann die Verteidigung der Politik generell. Ich glaube, einer der Ursprünge des Populismus, der ganz Europa betrifft, ist die Infragestellung der Politik und der Politiker.

STANDARD: Wie kann eine solche Überzeugungsarbeit gelingen?

Uriarte: Zunächst einmal, indem man von innen heraus erzählt, was die Politik ist. Als Politikneuling und Autorin werde ich das zu meiner Aufgabe machen.

Das Ergebnis der spanischen Parlamentswahl vom April macht eine Regierungsbildung nicht leicht.

STANDARD: Eine Regierung zu bilden wird nach dem Wahlergebnis nicht ganz einfach. Was wäre die beste Option?

Uriarte: Die Regierung, die sich bilden wird, gefällt mir überhaupt nicht. Also eine Regierung unter Pedro Sánchez, der Übereinkommen mit der radikalen Linken und mit Nationalisten schließen wird. Aber das ist das, wofür sich die Spanier entschieden haben. Das müssen wir hinnehmen und respektieren. Auch wenn ich damit nicht übereinstimme und denke, dass es Spanien Unheil bringen wird.

STANDARD: Hat Spanien sich für "links" entschieden?

Uriarte: Nein, so würde ich das nicht sagen. Die Stimmen zwischen rechts und dem Zentrum haben sich gespalten. Dadurch hat die Rechte deutlich weniger Sitze im Parlament als die Linke. Aber gut, das ergibt sich auch durch das Wahlsystem. Wie bei allen Wahlen ist Spanien mehr oder weniger halb und halb zwischen links und rechts aufgeteilt. Wir hatten lange ein Zweiparteiensystem, bis neue Parteien (Ciudadanos, Podemos, Vox, Anm.) hinzukamen. Meiner Meinung nach hat das Mehrparteiensystem keine guten Auswirkungen auf Spanien. (Milena Pieper, 15.5.2019)

Edurne Uriarte (58) ist als Nummer drei der Madrider PP-Liste ins spanische Parlament gewählt worden. Sie stammt aus dem Baskenland, heute lebt sie in Madrid und war bisher Professorin der Politikwissenschaft, Autorin und Kolumnistin.
Foto: privat