Wien – Was kann ein Lehrer tun, wenn ein Schüler in seiner Klasse durch ständiges Fehlverhalten auffällt? Diese Frage stellen sich viele seit Ende vergangener Woche, als bekannt wurde, dass ein Lehrer-Schüler-Konflikt in einer Wiener HTL eskaliert ist. Das Bildungsministerium sieht die Lösung darin, sogenannte Time-out-Klassen einzurichten.

Nach einem Lehrer-Schüler-Konflikt in der HTL Ottakring wird diskutiert, was sich in Schulen verbessern lässt.
Foto: Christian Fischer

"Es gibt derzeit keine Maßnahmen, die für den Schüler sofort spürbar sind", sagt eine AHS-Lehrerin aus dem dritten Wiener Gemeindebezirk, die anonym bleiben möchte. Fürs Schuleschwänzen sind sehr wohl Sanktionen bis hin zu Geldstrafen vorgesehen. Machen Jugendliche aber im Unterricht Probleme, verstoßen sie zwar auch gegen das Schulunterrichtsgesetz, das hat aber keine Konsequenzen. Sie sollten per Gesetz "durch ihre Mitarbeit (...) die Unterrichtsarbeit fördern" und "die Schulordnung einhalten", tun sie das aber nicht, droht ihnen maximal ein Klassenbucheintrag.

Langes Prozedere um Betragensnote

Stört ein Schüler immer wieder den Unterricht, können seine Lehrer eine schlechte Betragensnote beantragen. Über diese stimmen alle Klassenlehrer einmal pro Semester in der Notenkonferenz ab. Auch eine schlechte Betragensnote hat kaum direkte Auswirkungen auf den Schüler, einzig wenn er die Schule wechseln möchte, wirft eine entsprechende Benotung seines Betragens ein schlechtes Licht auf ihn.

Viele Schulen haben deshalb eine Schulordnung, die zum Beispiel regelt, nach wie vielen Klassenbucheinträgen ein Gespräch mit der Schuldirektion wünschenswert wäre.

Auf schulinterne Verhaltensvereinbarungen baut auch das Bildungsministerium. Lernstätten sollen künftig noch mehr dabei unterstützt werden, ihre eigene Schulordnung zu erstellen, sagt Gerhard Krötzl, Leiter der Schulpsychologie im Ministerium. Allerdings: Auch die Schulordnung ist rechtlich zahnlos.

Suspendieren nur bei Gefahr

Nachsitzen, das Schreiben von Strafarbeiten oder Klassenverweise gehören längst der Vergangenheit an. Das gesetzliche Fehlen solcher sofortigen Maßnahmen bei Fehlverhalten dient dem Schutz der Schüler davor, der Willkür ihrer Lehrer ausgesetzt zu sein. De facto bedeutet das für den Lehrer aber, dass ihm bei Problemen mit einem Schüler nur ein Gang in die Direktion bleibt, welcher für den Schüler wiederum auch keine unmittelbaren Folgen hat. Suspendiert werden Schüler nur, wenn Gefahr für das Umfeld im Verzug ist. Einem etwaigen Schulausschluss geht ein längeres Prozedere voraus, und er ist gesetzlich vorgesehen, wenn der Jugendliche eine "dauernde Gefährdung von Mitschülern oder anderer an der Schule tätiger Personen darstellt".

Ruf nach mehr Unterstützung

Wenn jemand "ganz rüde ist", könnte sich Herbert Weiß (FCG), Vorsitzender der AHS-Gewerkschaft, auch eine Verpflichtung zur gemeinnützigen Arbeit vorstellen. Weiß sieht die vom Bildungsministerium angekündigten Time-out-Klassen vorsichtig optimistisch – Details dazu sollen in Kürze folgen. "Wenn dort ein Schulpsychologe die Schüler betreut, kann das Sinn machen", sagt Weiß' Stellvertreter Michael Zahradnik (FSG). Ablehnend auf die Ministeriumsankündigung reagierten Experten wie die Bildungspsychologin Christiane Spiel und der Soziologe Kenan Güngör. SPÖ, Neos und Liste Jetzt fordern mehr Sozialarbeiter an den Schulen.

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"Mehr Supportpersonal" fordern auch die Gewerkschafter. "Generell hätte ich gern mehr Unterstützung im Umgang mit den Schülern", sagt auch die AHS-Lehrerin aus dem dritten Bezirk. Sie denke da an Sozialarbeiter, die zur Konfliktlösung mit dem Lehrer gemeinsam in für ihn problematische Klassen gehen. Auch eine verpflichtende Supervision für Lehrer fände sie gut. "Von Lehrern wird immer erwartet, dass sie alles, was sie tun, sofort reflektieren, und dabei werden sie völlig alleingelassen." Derzeit böten Schulen nur auf Wunsch hin Supervision an. (Stefanie Schermann, Gudrun Springer, 8.5.2019)