Die ehemalige Grünen-Politikerin Spiess-Hegglin klagte die Schweizer Boulevardzeitung "Blick" wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte und bekam nun – in erster Instanz und nicht rechtskräftig – recht.

Foto: Faksimile "Blick"

Zug – "Hat er sie geschändet?", titelte das Schweizer Boulevardblatt "Blick" über eine Politikerin der Grünen und einen Politiker der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Die Schweizerin klagte die Zeitung, das Kantonsgericht Zug sprach ihr nun – nicht rechtskräftig – 20.000 Franken (17.500 Euro) Entschädigung wegen "schwerer, nicht zu rechtfertigender Verletzung der Persönlichkeit" zu. Doch für den Ringier-Verlag könnte es noch deutlich teurer werden.

Gewinnherausgabe

Die ehemalige Grünen-Politikern Jolanda Spiess-Hegglin überlegt nämlich, den "Blick" und seinen Mutterkonzern Ringier auf Herausgabe des Gewinns aus einer Vielzahl von Storys über sie und die Vorfälle bei der sogenannten Landammann-Feier Ende Dezember 2014 zu klagen. Die Entscheidung könnte die erste Etappe dorthin sein. Ein Gutachter bezifferte den wirtschaftlichen Wert der Storys für den Verlagskonzern mit mehr als einer Million Franken.

"Ich will Trashsjournalismus und Persönlichkeitsverletzungen nachhaltig abstellen", sagte Spiess-Hegglin im April auf Anfrage des STANDARD. "Ich will, dass in jeder Redaktionssitzung sehr genau darüber nachgedacht wird, welche Namen veröffentlicht werden und was über diese Menschen. Immer mit dem Gedanken: Passiert uns dasselbe wie mit Spiess-Hegglin?" Eine Klage auf Gewinnherausgabe ist mit hohem finanziellem Risiko verbunden. Sie könnte Vorschusskosten von bis zu 60.000 Euro bedeuten.

Am Freitag wollte sich Spiess-Hegglin auf Anfrage nicht festlegen, ob und wie sie weiter gegen Ringier vorgeht. Zunächst prüft der Ringier-Verlag, ob er weitere Instanzen bemüht.

Das Kantonsgericht schreibt von einem "krassen Eingriff in die Intimsphäre" der Schweizerin. Es stellt eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte fest. Zu einer Entschuldigung, die die Klägerin forderte, könne das Gericht Ringier nicht verpflichten. Die Entschädigung ("Genugtuung") diene dazu, "erlittene seelische Unbill abzugelten, und nicht dazu, Gewinne abzuschöpfen; maßgebend für die Höhe der Genugtuung ist die Schwere der Unbill".

Der Anlass

Spiess-Hegglin war nach der Landammann-Feier ohne Erinnerung, aber mit starken Schmerzen im Unterleib aufgewacht. Und mit einem Bild im Kopf: ein halbnackter SVP-Politiker über ihr, ein zweiter grinsend neben ihr. Die DNA eines SVP-Politikers wurde bei Untersuchungen in ihrem Unterleib und eine weitere unbekannte DNA in ihrer Unterwäsche gefunden.

Ein Strafverfahren gegen den SVP-Politiker wurde eingestellt, rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft ermittelte nicht wegen Vergewaltigung, weil sich Spiess-Hegglin bis auf das eine Bild in ihrem Kopf nicht konkret daran erinnerte. Sie ermittelte wegen Schändung, doch dafür müssten betäubende Substanzen nachgewiesen sein. Die Staatsanwaltschaft in Zug wiederum ließ 2018 nach dreieinhalb Jahren Ermittlung verlauten, dass Spiess-Hegglin den SVP-Politiker nicht fälschlicherweise beschuldigt habe. (fid, 10.5.2019)