China habe sich bei den jüngsten Verhandlungen wohl "so schwer geschlagen" gefühlt, dass es seine Amtszeit lieber aussitzen wolle, vermutet Donald Trump.

Foto: APA/AFP/JIM WATSON

Nach seinem Geschmack sind viel zu viele Produkte mit diesem Etikett in Umlauf.

Foto: APA/AFP/JOHANNES EISELE

"Offen und konstruktiv", mit diesen versöhnlichen Worten beschrieb US-Präsident Donald Trump auf seinem bevorzugten Kommunikationskanal Twitter den Status der Handelsgespräche zwischen China und den USA. Chinas Vizepremier und Chefunterhändler Liu He schlägt mindestens so moderate Töne an und spricht von "kleinen Rückschlägen und Wendungen in den Gesprächen". Der Wirtschaftsberater Trumps, Larry Kudlow, hatte ein Treffen des Präsidenten mit seinem chinesischen Kollegen Xi Jinping beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs der 20 größten Industriestaaten und Schwellenländer (G20) Ende Juni ins Gespräch gebracht.

Man ist bemüht, sich nicht aus dem Spiel zu nehmen. Doch was klingt, als ob alles zum Besten stünde, kann nicht darüber hinwegtäuschen: Der Handelsstreit zwischen den beiden volkswirtschaftlichen Großmächten spitzt sich zu. Mittlerweile gleicht er einem Pokerspiel: Der eine erhöht den Einsatz, der Gegenspieler setzt ein gelassenes Pokerface auf – und zieht nach. Nach ebendiesem Muster verlief auch die jüngste Runde am vergangenen Wochenende.

Trump hat am Samstag nach den gescheiterten Verhandlungen in Washington den Einsatz erhöht: mit der Drohung, die Strafzölle auf alle Importe aus China mit einem Handelswert von 500 Milliarden Dollar von zehn auf 25 Prozent anzuheben.

Trump gibt Peking Schuld

Trump hat schließlich am Montag Peking die Schuld an der Eskalation gegeben. Man sei kurz davor gewesen, ein "großartiges" Abkommen abzuschließen, dann sei China aber abgesprungen, schrieb Trump auf Twitter.

Ohne einen Deal würden sich Firmen gezwungen sehen, dass Land zu verlassen. "Ich sage Präsident Xi und all meinen Freunden in China offen, dass China sehr schwer getroffen wird, wenn sie kein Abkommen abschließen, weil Unternehmen gezwungen werden, China zu verlassen und in andere Länder zu gehen." Trump warnte die Regierung von Xi Jinping auch davor, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Selbstbewusste Reaktion

In der Nacht zum Freitag trat in einem ersten Schritt die Anhebung der Sonderabgaben auf Importe aus China im Wert von 200 Milliarden Dollar (178 Milliarden Euro) in Kraft. Die Zölle stiegen von zehn auf 25 Prozent. Für weitere Importe im Volumen von 50 Milliarden Dollar lag der Satz schon zuvor bei 25 Prozent.

China reagiert nicht minder selbstbewusst und will in "Grundsatzfragen" keine Kompromisse eingehen. Alle zusätzlichen Zölle müssten abgeschafft werden. Ein Sprecher des chinesischen Handelsministeriums erklärte: "China bedauert zutiefst, dass es notwendige Gegenmaßnahmen ergreifen muss."

Worin die bestehen könnten, ist aber unklar. Die USA exportieren deutlich weniger nach China als umgekehrt. Damit kann Peking nicht mit gleichen Sonderzöllen Vergeltung üben: 2018 exportierten die USA Waren im Wert von 120 Milliarden Dollar nach China, die bereits mit Gegenzöllen belegt sind.

Konsumenten zahlen drauf

Die Zeche für die Eskalation im Handelskonflikt zahlen vor allem die US-Bürger. Verbraucher müssen bereits jetzt für zahlreiche Produkte tiefer in die Tasche greifen. Verbände warnen, dass die Leidtragenden auch kleine und mittlere Unternehmen sind.

"Die Zölle werden von amerikanischen Firmen und Konsumenten bezahlt, nicht von China", sagt David French vom Einzelhandelsverband National Retail Federation in Washington. Die weitere drastische Ausweitung der Strafzölle werde in den USA vor allem für kleine Unternehmen zur Belastungsprobe. Diese hätten nur "begrenzten Zugang zu Ressourcen, um die Auswirkungen abzumildern".

Zwar gibt es in der Industrie und bei Einzelhändlern durchaus Sympathie für das Ziel der Trump-Regierung, China bei der Begünstigung der eigenen Wirtschaft zu mäßigen und für US-Produzenten die Tür zum gewaltigen Markt der Volksrepublik weiter aufzustoßen. "Wir wollen, dass Präsident Trump erfolgreich ein Abkommen mit China schließt, das wettbewerbsfeindliches Verhalten stoppt", sagt Hun Quach, Vizepräsidentin des Branchenverbands Retail Industry Leaders Association. Doch auch sie befürchtet, dass vor allem die Mittelklasse in den USA durch die Zölle benachteiligt wird – durch höhere Preise für alltägliche Güter.

Laut Daten der New York Federal Reserve Bank trieben im vergangenen Jahr allein die US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium vom März und die Zölle auf chinesische Waren vom Juli den Verbraucherpreisindex um 0,3 Prozentpunkte in die Höhe. Für die Zölle auf Waschmaschinen, verhängt im Jänner 2018, kamen Forscher der Universität von Chicago und der New Yorker Fed im April zu dem Schluss, dass US-Verbraucher im vergangenen Jahr insgesamt 1,5 Milliarden Dollar (1,3 Milliarden Euro) mehr auf den Tisch legten. Der Preis für eine Waschmaschine erhöhte sich damit durchschnittlich um 86 Dollar; ein Trockner kostete sogar 92 Dollar mehr.

Rund sieben Millionen Arbeitsplätze in den USA stehen in Zusammenhang mit dem Handel mit China; geschätzt 39 Millionen sind insgesamt vom Warenaustausch mit dem Ausland abhängig.

Spielen auf Zeit

Wie es nach dem lautstarken Säbelrasseln weitergeht, ist offen. Liu geht von einer Wiederaufnahme der Gespräche "in näherer Zukunft" aus. Von einem "Deal" scheint man allerdings noch weit entfernt.

China wolle womöglich den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl im Jahr 2020 abwarten, "um zu sehen, ob sie Glück haben, dass ein Demokrat gewinnt und sie in dem Fall die USA weiterhin um 500 Milliarden Dollar pro Jahr abzocken würden", zwitschert der US-Präsident. "Das einzige Problem ist, sie wissen, dass ich gewinnen werde ..." (red, 13.5.2019)