Pænda auf der Bühne, wo sie am Donnerstag um den Finaleinzug singen wird.

Foto: EBU/Andreas Putting

Pænda alleine auf einer sehr großen Bühne.

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Auch ein Marktbesuch ist für eine ESC-Teilnehmerin ein Medientermin.

Foto: Wohnzimmer Records

Gabriele Horn alias Pænda, wie sie sich mit Künstlernamen nennt, ist mit zwei Alben im Gepäck nach Tel Aviv gereist. Für eine Song-Contest-Teilnehmerin ist das durchaus etwas Außergewöhnliches, denn viele Teilnehmerländer definieren den Eurovision Song Contest immer noch als eine Art grenzüberschreitende Castingshow. Da fällt eine Künstlerin auf, die ihr Material selbst komponiert, produziert und interpretiert.

Darude

Überraschend fröhlich und entspannt genießt sie ihre Tage in Tel Aviv. Sie macht mit dem finnischen Teilnehmer und DJ Darude (der mit Sandstorm einst einen Welthit landete) einen Remix ihres Song-Contest-Beitrags Limits und gibt am Strand von Tel Aviv ein Akustikkonzert. Bei den Proben wusste sie die Journalisten vor Ort zu überzeugen. Aus einer Außenseiterin wurde eine Künstlerin, die ernst genommen wird. Am Donnerstag singt sie um den Finaleinzug.

STANDARD: Du bist noch mitten in den Proben. An welchen Schrauben wird noch gedreht?

Pænda: An den Performance-Schrauben, damit noch einige Adjustments vorgenommen werden können, aber vor allem an den Kameraeinstellungen.

STANDARD: Im Vorfeld des Eurovision Song Contest wird immer auf tausenden Fanseiten spekuliert, wer könnte gewinnen, wer schafft das Finale, und du wurdest eher als Außenseiterin gehandelt. Nach der ersten Probe änderte sich das. Die Reaktionen im Pressezentrum waren durchwegs positiv. Plötzlich giltst du als chancenreiche Kandidatin für das Finale, wenn auch keine sichere. Siehst du das auch so?

Pænda: Natürlich. Ich werde Erster. Oder ich sage das, was alle selbsternannten Experten sagen: Es wird nicht reichen. (lacht) Es ist so, dass ich mir keine Sekunde darüber Gedanken mache. Aber es ist schön zu hören, dass die Emotionen überspringen.

STANDARD: Du hast in der Probe eine Träne fließen lassen, im Video ebenso. Kannst du diese Emotionen immer abrufen, wenn du den Song singst?

Pænda: Wir haben den Song davor natürlich schon ein paar Mal eingesungen. Da waren keine Emotionen dabei. Kaum sitze ich alleine auf der Bühne, die ja riesengroß ist, und ich sitze da ganz alleine auf diesem Podest, man sieht niemanden, weil es dunkel ist. Und plötzlich kam das Gefühl wieder, das ich hatte, als ich den Song geschrieben habe. Ob mir jedes Mal eine Träne runterkullert wie bei den Proben, das werden wir noch sehen, das kann ich nicht versprechen. Aber das Alleinsein-Gefühl auf der Bühne erleichtert dieses Gefühl.

STANDARD: Du hast in Interviews erzählt, dass du den Eurovision Song Contest verfolgst, und bist vermutlich mit gewissen Vorstellungen und Erwartungen hierhergekommen. Ist die Eurovision so, wie du sie dir vorher ausgemalt hast?

Pænda: Im Grunde genommen gibt es zwar mehr Kameras, aber das hier ähnelt sehr einem Festival, außer der Tatsache, dass du nur einen Song performst, bei dem alles passen muss, weil du nur diese eine Chance hast. Es ist also gar nicht so anders als das, was ich kenne, es ist nur viel größer.

STANDARD: Ist dein Stresslevel hoch? Es ist ja hier ständig etwas zu tun: Proben, Interviews, Auftritte ...

Pænda: Nein, das ist kein Problem. Es ist, wie es ist. Ich bin dadurch sogar sehr fokussiert. Wenn etwas erst irgendwann fertig sein kann, tue ich mich damit viel schwerer. Ich mag getaktete Abläufe.

STANDARD: Fängt man eigentlich als Künstlerin zu spekulieren an? Ah, vor mir ist Schweden, der ist ein Favorit. Ui, nach mir kommt Kroatien mit einer pathetischen Inszenierung. Wie kann ich bei den Jurys punkten, wie beim Publikum?

Pænda: Würde ich mir darüber Gedanken machen, wäre ich daheim geblieben. Die Meinungen über meinen Song waren ja nicht so hoch. Es wird ja allgemein gesagt, dass das zweite Semifinale schwieriger sei, weil mehr Favoriten auftreten – von meiner Seite aus tolle Acts –, aber ich habe das sofort abgedreht, als diese Gedanken in meinem Kopf zu arbeiten begannen. So funktioniere ich nicht.

STANDARD: Conchita meinte nach ihrem Sieg, man muss es schaffen, diese drei Minuten auf der Bühne zu stehen und diesen Moment einfach zu genießen. Pflichtest du ihr bei?

Pænda: Zu hundert Prozent. Und je gelassener man an die Sache rangeht, umso einfacher ist es.

STANDARD: Trotzdem hast du vorhin die negativen Meinungen erwähnt, uns vor dem Interview auch eine vorgelesen. Wie gehst du damit um, denn offenbar beschäftigen sie dich ja doch?

Pænda: I like the way you hate me. Gerade deshalb wohl mein Opener am Album. Ich versuche mich nicht damit zu beschäftigen. Man weiß ja, dass es passiert, und auch bei den anderen Acts. Aber solange man so was nicht am eigenen Leib gespürt hast, weißt du eigentlich nicht, wie tief die Abgründe der Menschheit sind. Es wird einem bewusst, wie heftig unsere Gesellschaft sein kann. Da kannst du noch so eine dicke Haut haben – und die habe ich, ich liege nachts nicht heulend im Bett –, aber in dem Moment, wo man so was liest, fragt man sich schon: Warum muss ein Mensch so bösartig sein? Es gefällt dir nicht? Okay. Du glaubst nicht daran? Okay. Aber warum muss man den anderen derart niedermachen?

STANDARD: Dabei geht es ja nur um eine Unterhaltungssendung im Fernsehen.

Pænda: Die sehen mich nicht als Act. Ich schreibe meine Songs nicht für Österreich. Ich schreibe meine Songs für mich selbst, mache meine Kunst, weil sie aus mir rausmuss. Ich überlege mir da nicht, ist das ein Song, der alle Österreicherinnen und Österreicher repräsentiert. Ich habe diesen Song geschrieben, weil es mir schlecht gegangen ist. Es geht zwar nur um Eurovision, aber offenbar steht das stellvertretend für so viele andere Sachen.

STANDARD: Trotzdem heißt es bei der Punktvergabe etwa "Austria twelve points" und nicht "Pænda twelve points", oder? Man wird doch mit "representing Austria" angekündigt?

Pænda: Ja, aber die Sache ist die, dass der ORF mich ausgesucht hat. Ich bin nicht aufgestanden und habe gesagt: Ich repräsentiere jetzt Österreich! Ich bin all das, was ihr alle sehen und hören wollt! Nein. Ich habe einfach meine Musik gemacht. Der ORF kam auf mich zu, meinte, dass meine Musik toll sei, und sie fanden, ich sei die Richtige, die sie dieses Jahr schicken wollten.

STANDARD: Du hast hier in Tel Aviv Holocaust-Überlebende aus Österreich getroffen.

Pænda: Es waren zwei Männer. In ihren Augen konnte man lesen, dass sie sehr viel erlebt haben. Aber gerade dadurch sehen sie die Welt anders. Sie sind so glücklich, am Leben zu sein, und wie sehr sie das Leben zu schätzen wissen, obwohl einer von den beiden schon 98 Jahre alt ist. Sie haben ständig Scherze gemacht. Sie wollten jeden Augenblick leben und auf dieser Welt sein. Beeindruckend.

STANDARD: Wie sehr war dir die Geschichte bewusst, als du hierherkamst? Israel ist ja nicht zufällig 1948, drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, als Schutzstaat der Juden gegründet worden.

Pænda: Geschichte hat mich immer sehr interessiert, ich habe auch darin maturiert. Ich hatte eine tolle Lehrerin, die diese Geschichten nicht gelehrt, sondern richtig erzählt hat. Ich habe auch sehr viele Dokus über diese Zeit gesehen. Ich habe bei vielen Bildern weinen müssen. Es ist so unvorstellbar, was damals passiert ist. Das Wissen darum ist enorm wichtig. (Marco Schreuder, 13.5.2019)

Bereits im März sprach Pænda mit dem STANDARD im Video-Interview darüber, wofür sie steht und was Musiker ausmacht.
DER STANDARD