Die befreiten Geiseln wurden mit einem Regierungsflugzeug nach Paris gebracht.

Foto: Reuters7Guillot

Frankreich ehrt am Dienstag mit einer nationalen Zeremonie zwei Elitesoldaten, die bei einer Geiselbefreiung in Burkina Faso ihr Leben gelassen haben. Alain Bertoncello und Cédric de Pierrepont hatten vergangene Woche in dem Sahelland einen nächtlichen Einsatz angeführt, um mehrere Geiseln zu befreien. Eine US-Drohne hatte deren Präsenz an der Grenze zu Mali gemeldet; das ließ den Schluss zu, dass das Dutzend Entführer die vier Geiseln möglicherweise an Jihadisten ausliefern oder verkaufen wollten.

Präsident Emmanuel Macron gab umgehend grünes Licht für den Einsatz einer Marineeinheit. Um zu verhindern, dass die Kidnapper ihre Geiseln erschossen, wie ein Armeesprecher nachher erläuterte, näherte sich das Befreiungskommando lautlos dem frei liegenden Biwak, ohne von den Schusswaffen Gebrauch zu machen. Noch zehn Meter entfernt, wurden die Soldaten entdeckt und die beiden Anführer niedergestreckt. Im folgenden Schussgefecht fielen alle Kidnapper; die Geiseln – zwei Franzosen, eine Südkoreanerin und eine Amerikanerin – kamen unversehrt frei.

Kritik an Macron

Macron holte das französische Paar – ein 46-jähriger Klavierlehrer und ein 51-jähriger Schmuckdesigner – am Samstag persönlich von einem Militärflughafen bei Paris ab. Dafür erntete er heftige Kritik: Die Opposition und namentlich die Rechtspopulistin Marine Le Pen erklärten, der Staatschef wolle sich im aktuellen Europawahlkampf als Geiselretter inszenieren; dabei seien letztlich die befreiten Touristen schuld am Tod zweier französischer Soldaten.

Macron verzichtete deshalb nach der Begrüßung der befreiten Geiseln auf jede Ansprache. Außenminister Jean-Yves Le Drian stimmte in die Kritik ein und meinte, die "leichtsinnigen" Reisenden seien ein "größeres Risiko" eingegangen, indem sie in den Wildpark von Pendjari im Staat Benin gereist seien, der vom Außenministerium als "rot" markiert sei. Von Reisen dorthin werde "in aller Form abgeraten".

Umfärbung

Mittlerweile hat sich allerdings gezeigt, dass nur der an Burkina Faso angrenzende Teil des Parks rot markiert war; die Hotellodge des französischen Paares befand sich bis Ende April nicht einmal im orangen, sondern nur im gelben Bereich – vergleichbar mit Ländern wie Thailand oder den Malediven. Am Montag war die Zone im Norden von Benin plötzlich auch rot gefärbt.

Auch diese stille Änderung heizt die Debatte über die Verantwortung der Reisenden an. "Jede Reise birgt ein gewisses Risiko", meint Jean-Pierre Mas von einem Verband französischer Reiseagenturen (EDV). Sein auf Individualreisen spezialisierter Berufskollege Didier Arino stellt in Abrede, dass einzelne seiner Kunden das Risiko geradezu suchten; hingegen wüssten sie bisweilen nicht Bescheid über die Gefahren.

Uneinigkeit

Eric Bonnem vom Abenteuerreisebüro Tamera wirft den westlichen Behörden vor, sie seien sich oft selbst nicht einig: Die Briten führten den Wildpark Pendjari in Benin zum Beispiel in der grünen Zone. Bisher zumindest. Andere Regierungen rieten von Reisen in ganze Länder – wie Ägypten – ab. Und wenn einmal "rot", bleibe die Warnung meist intakt, da keine Behörde die Verantwortung auf sich nehmen wolle, Sturmentwarnung zu geben, bedauert Bonnem.

Tamera organisiert unter anderem Reisen nach Wakhan in Afghanistan oder in die Wüste Djanet in Algerien. Nicht aber nach Libyen oder dem Niger, zwei Ländern, die nicht weit von Djanet entfernt liegen. Der bekannte französische Reiseführer "Guide du routard" deckt Westafrika seit einem Jahrzehnt nicht mehr ab, ausgenommen den Senegal. (Stefan Brändle aus Paris, 13.5.2019)