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Ein unterernährtes zwölfjähriges Mädchen aus dem Jemen, aufgenommen im Februar dieses Jahres: Nicht zuletzt aufgrund von Konflikten wie in diesem Land nahm seit 2014 die Zahl der Hungernden weltweit wieder zu.

Foto: Reuters

Laxenburg/Wien – Eigentlich war die Zahl der hungernden Menschen in den letzten Jahrzehnten beständig am Sinken. Doch seit etwa 2014 hat sich die Kurve wieder gedreht: Waren es 2014 etwas über 780 Millionen Menschen, die an Hunger litten, sind es aktuell rund 815 Millionen, knapp elf Prozent der Weltbevölkerung. Rund zwei Drittel der Hungernden leben übrigens in Asien.

"Kein Hunger" ist das zweite der insgesamt 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) im UN-Aktionsplan für 2030, und nach ursprünglichen Schätzungen sollte sich die Zahl der Hungernden bei entsprechenden Bemühungen bis 2050 auf 180 bis 270 Millionen senken lassen. Eigentlich würde man denken, dass sich dieses Ziel mit dem SDG 13, den "Maßnahmen zum Klimaschutz", gut ergänzen würde: So etwa sorgte der Zyklon Kenneth, der mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Klimawandel zugeschrieben werden kann, für akuten Hunger in Mosambik.

Warnung vor unbedachtem Klimaschutz

Doch der Zusammenhang von Klimaschutz und Ernährungssicherheit scheint nicht ganz so eindeutig positiv zu sein, wie ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA) nun im Fachblatt "Nature Sustainability" schreibt. Auf den Punkt gebracht: Unbedachter Klimaschutz, der auf Ernährungssicherheit nur wenig Rücksicht nimmt, könnte bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts 160 Millionen Menschen zusätzlich Hunger bringen.

Konkret geht es um zwei zentrale Maßnahmen für den Klimaschutz, die allgemein als zielführend akzeptiert sind: zum einen eine stärkere finanzielle Belastung für vermehrten CO2-Ausstoß und zum anderen die Nutzung von Anbauflächen zur Produktion von Bioenergie beziehungsweise für Aufforstungsprojekte, die eine wichtige Maßnahme wären, um das Treibhausgas CO2 der Atmosphäre zu entziehen.

Teureres CO2 erhöht Preise für Nahrung

Beide Maßnahmen würden aber auch, so haben die Forscher um Shinichiro Fujimori (Universität Kyoto und IIASA) errechnet, die Lebensmittelpreise erhöhen und auf diese Weise das Hungerrisiko insbesondere in ärmeren Gebieten erhöhen.

Das Team hat aber auch ermittelt, was es kosten würde, diese negativen Effekte abzufedern: nämlich 0,18 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts. Wenn dieses Geld in konkrete Nahrungsmittelhilfeprojekte oder Agrarsubventionen für die betroffenen Länder investiert wird, könnten auf diese Weise die Nahrungsmittelpreise stabil gehalten werden.

Weniger Fleisch und Milchprodukte

Wissenschafter, die nicht an der Studie beteiligt waren, warnen allerdings auch vor einigen Unsicherheitsfaktoren: So gibt Marco Springmann (Universität Oxford) erstens zu bedenken, dass es oft Konflikte in sogenannten Failing States sind, die zu einem Anstieg der Hungernden führen – aktuell etwa im Jemen und in Somalia. Global gesehen gebe es zweitens bei weitem genügend Nahrungsmittel, um die derzeitige Weltbevölkerung zu ernähren. Weitaus schwieriger sei es, eine gesunde und nachhaltige Ernährung für alle sicherzustellen.

Drittens schließlich können solche Modellrechnungen Veränderungen in der Ernährungsweise schwer vorhersagen. Faktum ist, dass die meisten Treibhausgase durch Fleisch und Milchprodukte verursacht werden. Und wenn solche Produkte durch eine CO2-Besteuerung teurer werden, kann das auch dazu führen, dass weniger Produkte dieser Art konsumiert werden – mit positiven Folgen für das Klima und ohne dass jemand deshalb zusätzlich hungern müsste. (tasch, 13.5.2019)