In Schweden hat sich das Wort "flygskam" – Flugscham – längst etabliert.

Foto: APA/Frank Rumpenhorst

Über das Wochenende schnell einmal nach London? Error-Fare nach Ägypten? Flugschnäppchen wie diese gehören für einen wachsenden Teil der Bevölkerung der Vergangenheit an. Sie haben "flygskam" entwickelt – Flugscham. Der Ausdruck, der sich in Schweden seit Beginn der Klimaproteste von Schülern und Studenten etabliert hat, beschreibt das schlechte Gewissen, mit dem Flieger zu verreisen. Kein Wunder: Immerhin ist die Klimabilanz von Flugzeugen um ein Vielfaches höher als von jedem anderen Verkehrsmittel.

Nichtsdestotrotz wird heute mehr geflogen als je zuvor. Die Weltbank geht davon aus, dass 1970 weltweit rund 310 Millionen Flugreisen angetreten wurden, mittlerweile ist die Zahl auf knapp vier Milliarden gestiegen. Und auch in Zukunft ist keine Trendwende in Sicht: Die International Air Transport Association (IATA), ein Dachverband von Fluggesellschaften, schätzt, dass sich die Passagierzahl in den kommenden zwei Jahrzehnten ein weiteres Mal verdoppeln wird. Demnach sollen 2037 pro Jahr mehr als 8,2 Milliarden Passagiere befördert werden.

Wachsender Markt in China

Der Luftverkehr macht zwar weltweit nur rund zwei Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen aus, der Anteil dürfte aber schon bald deutlich steigen. Denn die wachsende Mittelschicht in Schwellenländern wie China oder Indien treibt den Flugverkehr an. 2018 wurden etwa im Reich der Mitte rund 610 Millionen Passagiere befördert – das entspricht einem Plus von mehr als elf Prozent im Vergleich zum Jahr davor. Bis 2037 wird allein in China eine weitere Milliarde an Flugreisen hinzukommen, schätzt die IATA.

Auch hierzulande steigt der Flugreiseverkehr stark an. Während die CO2-Emissionen des Pkw-Verkehrs in Österreich seit 1990 um 60 Prozent zugenommen haben, sind die Emissionen des Flugverkehrs im gleichen Zeitraum um 155 Prozent gestiegen, errechnet der Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Dabei verursacht der Flugverkehr laut VCÖ pro Personenkilometer doppelt so viele CO2-Emissionen wie Diesel- und Benzin-Pkws und 31-mal so viel CO2 wie einer Reise mit der Bahn.

Seit Monaten gehen weltweit junge Menschen auf die Straße, um für mehr Klimaschutz zu protestieren. Diese Aktion fand im naturhistorischen Museum in London statt.
Foto: APA/TOLGA AKMEN

In der Schweiz wurde die Vielfliegerei mittlerweile zum Politikum. Zwei Politiker der grünliberalen Partei wollen "flygskam" in der Stadtverwaltung in Zürich implementieren, wie die Neue Zürcher Zeitung berichtete. Die Gemeinderäte wollen aufzeigen, wie oft Stadtbedienstete mit dem Flieger unterwegs sind. Ziel der Initiative ist es, innereuropäische Flüge von städtischen Angestellten auf ein Minimum zu reduzieren, soweit es eine ökologisch sinnvolle Alternative gibt. Das Ansinnen ist in der Schweiz nicht neu: In Bern wurde bereits vor zwei Jahren eine "Mobilitäts-Policy" verabschiedet, die Beamte zu Radlern und Zugfahrern machen soll.

Reiseverhalten der Regierung

Und Österreichs Regierung und Ministeriumsmitarbeiter? Sie sind oft mit dem Flieger unterwegs – auch im Inland. Genaue Zahlen zu den Flugreisen existieren nicht, eine Anfragereihe der SPÖ gibt zumindest einen groben Einblick in das Reiseverhalten.

Das Umweltministerium meldete etwa, dass im Jahr 2018 im Ressort "weit mehr als tausend Flüge" absolviert wurden. Wobei zumindest im ersten Halbjahr nur 58 Flüge – davon drei im Inland – auf die Ministerin und Kabinettsmitarbeiter fielen, der Rest auf übrige Beamte. Inlandsflüge würden "nur im äußerten Notfall" in Anspruch genommen, heißt es auf Anfrage. Und: "Wir sind das einzige Ministerium, das alle Flüge kompensiert."

Viele Flüge im Inland

Und auch das Ressort von Verkehrsminister Norbert Hofer verbrachte viel Zeit auf Flughäfen: Allein im ersten Halbjahr 2018 sind in der Anfragebeantwortung 42 Inlandsflüge und 525 Flüge ins Ausland vermerkt, für das ganze Jahr mehr als tausend. "Generell ist jede Dienstreise zu genehmigen", heißt es am Dienstag aus dem Verkehrsministerium. Bei der Genehmigung werde auch die Wahl des Verkehrsmittels überprüft: "Inlands-Flugreisen werden nur dann genehmigt, wenn eine Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Pkw zu lange dauert bzw. es keine passenden Verbindungen für den Termin gibt, den jemand wahrnehmen muss." Die Frage, wie sich die hohe Zahl an Inlandsflügen mit der Klimastrategie vereinbaren lässt, beantwortete der Minister jedoch auch am Dienstag nicht.

Auch in anderen Ressorts wurden fleißig geflogen: Das Bildungsministerium spricht von "mehr als tausend Dienstflugreisen" in den ersten neun Monaten des Vorjahres. Von den 29 Flügen des Kabinetts bis Ende Juni landeten drei im Inland. Das Finanzministerium meldete "beinahe 1000 Flüge" im Jahr 2018. Weiter vorne liegen Innen- und Verteidigungsministerium: In den ersten drei Quartalen wurden von dem Ressort von Herbert Kickl "mehr als zweieinhalbtausend Flugtickets" gebucht, Mario Kunaseks Ressort meldete für den gleichen Zeitraum "über 3000 absolvierte Flugreisen". Der Verteidigungsminister gab – wie viele andere Regierungskollegen – den EU-Ratsvorsitz Österreichs als Grund für die hohe Anzahl an Flugreisen an. (Nora Laufer, 14.5.2019)