Eine "Wiedergeburt" verspricht Emmanuel Macrons La République en Marche für ganz Europa.

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Wettbewerbskommissarin aus Dänemark: Margrethe Vestager.

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Beate Meinl-Reisinger will die Macht von EVP und SPE brechen.

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Knapp eine Woche vor den EU-Wahlen vom 23. bis 26. Mai ist zwischen den Parteifamilien quer durch die EU-Länder beziehungsweise ihre Fraktionen im Europäischen Parlament der Kampf darüber voll ausgebrochen, wer das Rennen um die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als Präsident der EU-Kommission machen soll. Auslöser war zuletzt die Ankündigung von La République en Marche (LREM), der Partei des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, mit sieben Parteien der Liberalen (Alde) nach den Wahlen eine gemeinsame Fraktion bilden zu wollen.

Wie DER STANDARD berichtete, soll diese unter dem wahrscheinlichen Namen "Renaissance" als offene Plattform auch anderen "progressiven Bewegungen" oder Parteien offenstehen. Bei einem Treffen in Straßburg am Samstag streckte man die Fühler explizit auch zu den Grünen und Sozialdemokraten aus. Portugals sozialistischer Premierminister Antonio Costas gab überraschend bekannt, dass er Macron und seine Reformideen explizit unterstütze, um ein soziales und ökologisches gemeinsames Europa zu bauen.

Meinl-Reisinger "wieder da"

Fix dabei sind jedenfalls die deutschen Freidemokraten (FDP) und die Neos aus Österreich. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger bestätigte am Montag, dass "wir Macron und dieses Projekt voll unterstützen". Sie ist nach einer Karenz nach der Geburt ihres dritten Kindes erst diese Woche in die politische Arena zurückgekehrt: "Ich bin wieder da", sagte sie dem STANDARD hörbar vergnügt und kämpferisch, "wir müssen verhindern, dass die Rechten sich nach der Wahl die Posten und die Macht aufteilen".

Als Favoriten für die Juncker-Nachfolge galten bisher der Christdemokrat Manfred Weber von der Europäischen Volkspartei (EVP) und der Sozialdemokrat Frans Timmermans (S&D), die von ihren Dachparteien auch als "Spitzenkandidaten" der EU-Wahl aufgestellt wurden. Sie repräsentieren die mit 216 beziehungsweise 187 Abgeordneten derzeit stärksten Fraktionen.

Spitzenteam statt Spitzenkandidat

Kommissionschef solle ein/e Spitzenkandidat/in werden, der/die die Wahl gewinnt beziehungsweise wem es dann gelingt, im EU-Parlament eine tragfähige Mehrheit für ein Kommissionsprogramm bis 2024 zu bilden: So lautet bisher der Konsens der Fraktionen.

Die Liberalen haben bis zur Fallfrist in Straßburg keinen klaren Spitzenkandidaten genannt, sondern ein "Spitzenteam" von sieben Personen. Dazu gehören die beiden EU-Kommissarinnen Margrethe Vestager (51, Wettbewerb) aus Dänemark ebenso wie die Slowenin Violeta Bulc (55, Verkehr) oder der aus Belgien stammende Fraktionschef Guy Verhofstadt (66). Nachdem Präsident Macron beim EU-Gipfel in Sibiu vergangenen Donnerstag den Automatismus des Spitzenkandidatenmodells und Weber wie Timmermanns infrage stellte, geht Meinl-Reisinger einen Schritt weiter: "Margrethe Vestager muss neue Kommissionspräsidentin werden", sagt die Neos-Chefin, denn "weder Weber noch Timmermans sind besonders berauschend".

Einklang mit Macron

Es gelte jedenfalls zu verhindern, dass die EVP und die Sozialdemokraten nach der Wahl sofort wieder alles untereinander ausmachen, betont Meinl-Reisinger. Die neue gestärkte Fraktion mit Macron stehe für eine erneuerte Union, für fairen Wettbewerb wie für Klimaschutz, "dafür tritt Vestager bedingungslos ein". Wie es der Renaissance-Fraktion gelingen soll, den Kommissarsposten bei Verhandlungen herauszuholen, ließ sie offen. Darüber sei nach den Wahlen zu verhandeln, sagt die Neos-Chefin.

"Es gibt eine Chance für eine progressive Mehrheit", denn man könne auch als Dritter Erster werden. Ihre Fraktion werde "ein sehr attraktives Angebot" haben, gibt sich Meinl-Reisinger optimistisch. Renaissance käme nach Prognosen derzeit auf knapp über 100 Mandate. (Thomas Mayer aus Brüssel, 13.5.2019)