Die Arbeit richtet sich nicht immer nur nach der Uhrzeit.

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Christian Korunka ist Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie.

Univeristät Wien

Die Semesterfrage der Universität Wien lautet aktuell "Wie werden wir morgen arbeiten?". Eine Frage, die uns alle betrifft und damit Grund genug für Christian Korunka, Professor für Arbeitspsychologie an der Universität Wien, einen Blick aufs Thema zu werfen. In seinem Beitrag "Entgrenztes Arbeiten: Wie erreichbar sind Sie?" hat er die Community befragt, und die hat im Forum geantwortet:

Christian Korunka: Die Generationen, in Ihrem Fall also "Generation Y" oder vielleicht sogar "Generation Z", unterscheiden sich in ihrem Umgang mit den neuen Kommunikationstechnologien und auch in gewissem Ausmaß in ihren Bedürfnissen. Oft wird aber sogar das Gegenteil beschrieben: Die "Generation Y" versucht eher sogar klare Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben zu ziehen. Diese Befunde sind aber immer nur Mittelwerte, es gibt natürlich auch große Unterschiede in den individuellen Bedürfnissen. Und die "Generationseffekte" sind auch eher nur "Alterseffekte", wo einfach in bestimmten Phasen des Lebensalters andere Bedürfnisse in den Vordergrund treten. Zum Beispiel in der Phase der Familiengründung.

Korunka: Ja, stimmt, vielleicht nicht besonders gut, aber häufig. Am Beginn dieser Entwicklung, vor einigen Jahren, als es die "Blackberries" noch als beliebte Firmenhandys gab, wurde vom "Crackberry"-Phänomen gesprochen, also süchtig zu sein nach den Push-Mails des damals noch neuen Geräts. Ob es sich bei Ihrer Beschreibung wirklich um ein Suchtphänomen handelt, müssten Sie wohl selbst entscheiden. Ich denke jedenfalls, man sollte im Zusammenhang mit den neuen Medien nicht vorschnell von Sucht sprechen und damit ganze Generationen pathologisieren.

Korunka: Sie sprechen hier einen besonders wichtigen – und positiven – Aspekt der neuen Arbeitswelt an. "In die Arbeit fahren" (vielleicht noch mit dem Auto) ist in jedem Fall eine gewisse Umweltbelastung, die mit den neuen Möglichkeiten der Vernetzung nicht mehr sein müsste. Noch stärker sind diese Effekte, wenn internationale Meetings (früher mit unzähligen Flugreisen verbunden) durch Videokonferenzen ersetzt werden. Der Einsatz dieser Technologien zeigt aber auch, dass nur ein hoher technologischer Standard (gute Bild- und Tonqualität, Kameras, die Augenkontakt ermöglichen, et cetera) die Qualität des persönlichen Meetings ersetzen kann.

Korunka: So, wie Sie das beschreiben, sind Sie ein gutes Beispiel für gute Selbstorganisation, die einfach erforderlich ist, um den Arbeitsablauf so zu gestalten, wie Sie das hier erwähnen. Aus wissenschaftlicher Sicht ist diese Selbstorganisation aber eine zusätzliche Anforderung unserer modernen Arbeitswelt. Die auch verschiedenen Personen unterschiedlich gut gelingt.

Korunka: Auch Ihre Aussage ist ein "schönes" Beispiel zu dem, was die Forschungsliteratur sagt. Einige Studien belegen, dass Telearbeit mit einer gewissen Vereinsamung einhergehen kann, weil ganz einfach niemand da ist, den man bei Problemen einfach fragen kann oder wo auch die Pausengespräche fehlen. Die ungestörte Arbeitsruhe hat eben auch ihren Preis. (Christian Korunka, 16.5.2019)