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Die zahlreichen Wahlhelferinnen und Wahlhelfer wissen letzten Endes nicht, wie viele Stimmen von Menschen aus anderen EU-Ländern in der Urne sind.

Foto: AP / Alvaro Barrientos

Eine ausländische Partei wählen und dabei eine Vorzugsstimme für eine ausländische Kandidatin abgeben: Die Europäische Union macht’s möglich. Zumindest für all jene EU-Bürgerinnen und EU-Bürger, bei denen Wohnsitzmitgliedsstaat und Herkunftsmitgliedsstaat nicht identisch sind. Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament kann etwa ein Deutscher, der in Innsbruck wohnt, einen österreichischen Stimmzettel in die Urne werfen – genauso wie eine Österreicherin, die in Budapest lebt, einen ungarischen.

Geregelt wird das Ganze durch eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 1993 (93/109/EG). Hintergrund: Das Wahlrecht im Wohnsitzmitgliedsstaat stelle "eine Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung zwischen in- und ausländischen Gemeinschaftsbürgern" dar, wie es in der Richtlinie heißt.

Als Herkunftsmitgliedsstaat wiederum gilt jenes Land, dessen Staatsbürgerschaft ein Wähler oder eine Wählerin besitzt: "Herkunft" ist hier also nur durch die Staatsangehörigkeit definiert, jedoch keinesfalls durch individuelle Lebensgeschichten vor dem Erwerb eines EU-Passes.

Registrierung nötig

Wer von seinem Recht Gebrauch machen will, am ausländischen EU-Wohnsitz zu wählen, muss sich dort aktiv registrieren lassen. "Dazu müssen Sie zunächst einmal eine förmliche Erklärung abgeben", erklärt Robert Stein, Leiter der Abteilung für Wahlangelegenheiten des österreichischen Innenministeriums, im Gespräch mit dem STANDARD.

Aus dieser Erklärung müssen unter anderem die Staatsangehörigkeit und der letzte Wahlkreis im Herkunftsmitgliedsland hervorgehen sowie die Zusicherung, das Wahlrecht nur im Wohnsitzmitgliedsstaat auszuüben.

Die beiden betroffenen Staaten tauschen dann untereinander Informationen aus. Das Herkunftsland wird etwa über die Registrierung im Ausland informiert und trifft laut Richtlinie Maßnahmen, um eine doppelte Stimmabgabe seiner Staatsangehörigen zu verhindern. Die Sache hat jedoch einen Haken: Die Richtlinie spricht stets lediglich von "Wohnsitz", klammert also Begriffe wie Haupt-, Neben- oder Zweitwohnsitz bewusst aus.

"Österreicher, die sich für die Europawahl in ein ausländisches Wählerverzeichnis eintragen lassen, sich hier aber nicht abmelden und nicht als Auslandsösterreicher registriert sind, bleiben auch in der österreichischen Wählerevidenz", so Stein. "Laut Verfassung dürfen wir sie dort dann nämlich gar nicht streichen."

Doppelt wahlberechtigt? Nein!

Und so kann es passieren, dass eine Österreicherin, die in Budapest für eine ungarische Partei ihre Stimme abgeben möchte, dennoch auch amtliche Wahlinformationen an ihren Wiener Wohnsitz bekommt, samt Adresse des Wiener Wahllokals. Doppelt wahlberechtigt ist sie damit freilich nicht. Robert Stein spricht von einer "Unschärfe des Systems", die man hierzulande allerdings sehr ernst nehme: "In Österreich wäre zweimal wählen eine gerichtlich strafbare Handlung. Das Strafgesetzbuch ist also der Mechanismus, um das zu verhindern."

Auch die EU-Richtlinie von 1993 spricht hier eine klare Sprache: "Es gilt, die freie Entscheidung des Unionsbürgers bezüglich des Mitgliedsstaates, in dem er sich an der Europawahl beteiligen möchte, zu respektieren", heißt es im Text. Also: entweder oder – und nicht sowohl als auch. Übrigens gilt das auch für Doppel- und Mehrfachstaatsbürger: "Niemand kann bei einer Wahl mehr als eine Stimme abgeben." (Gerald Schubert, 16.5.2019)