Dieser Bernstein ist für Schmuckhersteller weit weniger interessant als für Paläontologen – er enthält ein halbes Ökosystem.
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Bernstein ist nichts anderes als fossiles Harz – es ist daher keine Überraschung, dass es sich bei sogenannten Inklusen, also vom Bernstein umschlossenen Tieren, in der Regel um ehemalige Waldbewohner handelt.

Chinesische Wissenschafter haben nun aber im Fachblatt PNAS einen 99 Millionen Jahre alten Bernstein vorgestellt, der die Grenzen des Waldes zu sprengen scheint. Das im Norden Myanmars gefundene, 33 x 29 x 9,5 Millimeter große Bernsteinstück enthält eine ganze Reihe von Tieren. Viele davon sind erwartbar – in erster Linie Milben, dazu Spinnen, Tausendfüßer, Käfer, Fliegen und Wespen.

Dazu kommen verblüffenderweise aber auch einige Küsten- und Meeresbewohner: Klippenasseln, Meeresschnecken und als Prunkstück sogar ein kleiner Ammonit. Diese Kopffüßer mit dem charakteristischen eingedrehten Gehäuse bevölkerten sowohl im Erdaltertum als auch im Erdmittelalter die Ozeane: Sie entwickelten sich vor gut 400 Millionen Jahren und starben erst nach dem Asteroideneinschlag zusammen mit den großen Dinosauriern aus. Doch wie konnte ein solches Meerestier von Harz umschlossen werden?

Die Lebenden und die Toten

Die Antwort fanden die Forscher um Wang Bo von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften bei genaueren Untersuchungen mittels Mikro-Computertomografie. Es zeigte sich: Nur die Landtiere sind bei lebendigem Leib verklebt worden. Vom Ammoniten, der der Gattung Puzosia zugeordnet werden konnte, und den Meeresschnecken sind hingegen lediglich die Gehäuse eingeschlossen worden. Weiches Gewebe ist nicht enthalten – diese Tiere waren also längst tot, als die Harz-Falle zuschnappte.

Der eingeschlossene Ammonit in der Vergrößerung.
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Der Ablauf muss laut Wang Bo so ausgesehen haben: An einer kreidezeitlichen Küste lagen die angeschwemmten, leeren Gehäuse von Meerestieren, darüber ragten Bäume mit ihrer vielfältigen Gliederfüßer-Bevölkerung auf. Als das Harz austrat und den Stamm hinabfloss, setzte es zunächst baumbewohnende Tiere fest und umschloss schließlich auch den Schutt am Strand – inklusive Sand, den die Forscher im Bernstein ebenfalls fanden.

Dieses Rätsel dürfte also gelöst sein – anders als die Quelle von Bernstein. Welche Baumart genau das seit Jahrtausenden als Schmuckstein begehrte Harz produziert hat, weiß man nämlich bis heute nicht. (red, 19. 5. 2019)