Othmar Karas wurde auf offener Bühne entmachtet, eigentlich desavouiert.

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Othmar Karas ist es gewohnt, der Ungeliebte in der ÖVP zu sein. Josef Pröll setzte ihm bei der EU-Wahl 2009 Ernst Strasser als Spitzenkandidaten vor die Nase. Karas hatte zwar schon damals langjährige Erfahrung im EU-Parlament, galt dem Parteichef aber als zu farblos, um ihn an die Spitze der Wahlkampagne zu stellen. Ein paar Jahre später war man klüger: Strasser stolperte über eine peinliche Lobbying-Affäre und wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.

Ungeliebt bei der eigenen Partei ist Karas auch in dieser Wahlauseinandersetzung. Was jetzt aber noch dazukommt: Er wurde auf offener Bühne entmachtet, eigentlich desavouiert, spielt im Wahlkampf nur noch am Rande eine Rolle und muss sich bis zur Unkenntlichkeit verbiegen, damit die internen Grabenkämpfe nicht augenscheinlich zutage treten.

Das jüngste Beispiel dafür: die leidige Pommes-Verordnung, die ÖVP-Parteichef Sebastian Kurz als einziger Beleg für den angeblichen "Regelungswahnsinn" Brüssels eingefallen ist. Am Wochenende, als der Kanzler seine mediale Offensive gegen die "Bevormundung" durch die Union startete, war dem offiziellen ÖVP-Spitzenkandidaten gar kein Kommentar dazu zu entlocken. Am Montag ließ er die interessierten Wähler dann in einem Anflug von Ehrlichkeit bei einer Diskussion wissen, das Thema sei für ihn eigentlich gar keines mehr. Man habe vor zwei Jahren eine ausführliche Debatte geführt, er halte es daher für nicht notwendig, die Verordnung wieder einzustampfen.

Seine Antwort war nur konsequent, ist doch unter Experten unbestritten, dass Acrylamid, das beim Frittieren von Lebensmitteln entsteht, krebserregend ist. Diese Linie überlebte aber nur ein paar Stunden. Dann teilte die Partei per Aussendung mit, Karas unterstütze natürlich den Kanzler bei dessen Ziel, Bürokratie abzubauen. Das gelte auch für die Pommes-Verordnung. Karas war, so verrät uns die ÖVP, "überrascht", wie manche die widersprüchlichen Aussagen als "Konflikt mit dem Bundeskanzler" lesen konnten.

Zickzackkurs

Eine ganz böswillige Interpretation ist es wahrscheinlich auch, aus dem Zickzackkurs der ÖVP bei der Besetzung von TV-Wahlkonfrontationen einen Konflikt herauszulesen. Im ORF war letzte Woche die Listenzweite und Kurz-Vertraute Karoline Edtstadler angekündigt. Gekommen ist dann Karas. Diese Woche dürfen bei den ORF-Duellen beide ran. Karas steigt gegen Werner Kogler und Andreas Schieder in den Ring, Edtstadler gegen FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky, der im Lager der EU-Kritiker bisher de facto eine Monopolstellung hatte und von dem das Team Kurz nun glaubt, ihm Wähler abwerben zu können. Ob das gelingt, wird die spannende Frage in den letzten Tagen bis zur Wahl am 26. Mai.

Was wir bisher aus dem Wahlkampf lernen durften? Erstens: Das für seine Professionalität vielgelobte Team des Kanzlers agiert, ganz anders als vor der Nationalratswahl 2017, chaotisch und wenig stringent.

Zweitens: Die Volkspartei nimmt ihren Spitzenkandidaten, den sie erfolgreich davon abgehalten hat, mit einer eigenen Liste anzutreten, nicht mehr ernst. Umgekehrt hat der 61-Jährige trotz aller Demütigungen seine Loyalität zur Volkspartei noch nicht verloren. So manche Parteifreunde werden ihm das vielleicht hoch anrechnen. Sein Versprechen "Wo Karas draufsteht, ist auch Karas drinnen" hat er aber längst ad absurdum geführt. (Günther Oswald, 14.5.2019)