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Alyssa Milano startete mit ihrem Tweet zu #MeToo eine beispiellose Twitter-Kampagne.

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Ihrem Aufruf zum #Sex-Strike folgte hingegen viel Kritik.

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Es ist eh super, wenn Superstars sich für die Sache ins Zeug werfen. Es gibt genug Probleme für alle, die sich feministisch engagieren wollen. Trotzdem wäre es schön, wenn man zu dem einen oder anderen Vorschlag zumindest ein paar Minuten nachliest oder nachfragt, was versierte Feministinnen schon an Vorarbeit geleistet haben. Wir müssen das Rad nicht ständig neu erfinden, es wurde schon sehr viel ausprobiert, nachgedacht, über den Haufen geworfen, diskutiert und weiterentwickelt.

Alyssa Milano machte also am Wochenende auf Twitter den Vorschlag, den auf den Weg gebrachten restriktiven Gesetzesnovellen zum Schwangerschaftsabbruch in den USA mit einem Sexstreik zu begegnen. Und das ist gleich doppelt ärgerlich. Erstens redet man jetzt nicht – wie von Milano ursprünglich intendiert – von den katastrophalen Rückschritten bei den reproduktiven Rechten von Frauen. Vielmehr geht es nun in erster Linie darum, wie antifeministisch dieser Vorschlag von Milano eigentlich ist. Und zweitens: Der Vorschlag ist in der Tat derart unsinnig, dass man ihn nicht im Raum stehenlassen kann.

Gesundheitspolitischer Super-GAU

Frauen müssen sich zweifelsohne dringend gegen die Rückschritte beim Zugang zu Abtreibung formieren. Nur bis zur sechsten Woche einen Schwangerschaftsabbruch zuzulassen und Ärztinnen und Ärzten bis zu 99 Jahre Haft anzudrohen, wenn sie Abbrüche durchführen und anbieten, wie es Gesetzesnovellen in den Bundesstaaten Alabama und Georgia vorsehen – das ist für Frauen ein gesundheitspolitischer Super-GAU. Zudem legen sich auch viele andere Staaten in den USA gerade mit dem Grundsatzentscheid Roe vs. Wade aus dem Jahr 1973 an, der den Schwangerschaftsabbruch in den USA legalisierte.

Trotzdem ist für einen starken Protest nicht jedes Mittel das richtige. Alyssa Milanos Aufruf zu einem Sexstreik etwa – mit Sex und Streik hat sie gleich in einem Aufwasch zwei zentrale Themen des Feminismus aufgegriffenen, die allerdings in Kombination denkbar schlecht funktionieren.

Zum Streik: Frauenstreikgruppen haben in den letzten Jahren gezeigt, was tatsächlich bestreikt werden sollte: Lohnarbeit und unbezahlte Arbeit. Ein Streik ist ein ökonomisches Druckmittel, damit bestimmte Anliegen wie bessere Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden. "Es muss finanziell wehtun", wie es eine Aktivistin des Wiener Frauenstreikbündnisses kurz vor dem heurigen Frauentag formuliert hat. Ein Sexstreik tut ökonomisch nicht weh, sondern den Frauen selbst.

Patriarchale Ideen

Zum Sex: Wenn vom Sexstreik die Rede ist, wird Sex kurzerhand zur Arbeit erklärt. Wer keine Sexarbeiterin ist, leistet mit Sex keine Arbeit, keine Dienstleistung. Er ist kein Gefallen, keine "Belohnung". Die Verschränkung von Sex und Streik knüpft noch dazu an alte Vorstellungen an, nach denen Sex für Frauen ein Gut ist, das sie gezielt einsetzen. Etwas, das sie vorenthalten oder bewahren müssen – Stichwort Jungfräulichkeit –, um ihren Wert zu erhalten. Etwa im 17. und 18. Jahrhundert war es für Frauen tatsächlich wichtig, ihren Körper nicht zu "verschenken". Allerdings war das einer völligen ökonomischen Abhängigkeit von der Herkunftsfamilie und später dem Ehemann geschuldet.

Daher rühren die zutiefst patriarchalen Ideen von Männern als genießende Empfänger und Nutznießer von Sex, während Frauen ihn lediglich rational einsetzen und erdulden – und ganz und gar nicht genießen.

Die Rede vom Sexstreik katapultiert uns in präfeministische Zeiten zurück und ist für eine feministische Kampagne denkbar ungeeignet.

Feministische Ressourcen

Aber gut, so ein Missgriff in Hashtagform kann ja mal passieren. Schließlich muss man Milano zugutehalten, dass ihr mit dem Hashtag #MeToo, den sie erfolgreich in Umlauf gebracht hat, verdammt viel gelungen ist. Aber dass Milano mit "Hauptsache, es wird über den Krieg gegen Frauen geredet" auf Kritik reagiert, ist gleich noch einmal ärgerlich. Schließlich ist die über ein Jahrhundert angesammelte Erfahrung von Feministinnen eine wichtige Ressource, die man doch bitte nutzen sollte. Zu dieser Ressource gehört auch die Erkenntnis, dass Sexualität immer dazu genutzt wurde, Frauen zu unterdrücken. Und dass es feministische Knochenarbeit war – und bis heute ist –, sich den Sex nicht mehr wegnehmen zu lassen. Einen Teufel werden Frauen tun, ihn sich selbst wegzunehmen. (Beate Hausbichler, 15.5.2019)