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Der US-Flugzeugträger USS Abraham Lincoln ist im Persischen Golf stationiert.

Foto: AP/U.S. Navy

Eigentlich, sagt Kori Schake, soll es an diesem Vormittag um bereits bestehende Kriege und bewaffnete Auseinandersetzungen gehen. Aber natürlich können die Vizedirektorin und die Expertinnen des Londoner Strategieinstituts IISS bei der Vorstellung des Jahrbuchs "Armed Conflict Survey" (ACS) am Mittwoch der aktuellen Frage nicht ausweichen, die internationalen Beobachtern unter den Nägeln brennt: Wie brisant ist die Lage am Persischen Golf? Droht der vorläufig noch kalte Krieg zwischen Saudi-Arabien mit seinen Verbündeten USA und Israel einerseits sowie dem Iran und dessen Unterstützergruppen andererseits zu einem heißen Konflikt zu werden?

Zu den ohnehin gestiegenen Spannungen haben zuletzt zwei Zwischenfälle beigetragen. Zu Wochenbeginn meldeten die Vereinigten Arabischen Emirate Sabotageakte gegen vier Handelsschiffe, die vor dem Hafen von Fujairah im Golf von Oman geankert hatten. Tags darauf bestätigte Saudi-Arabien, dass zwei der angegriffenen Schiffe unter saudischer Flagge stehen. Beide Staaten hüteten sich allerdings davor, dem Nachbarn Iran auf der anderen Seite des Persischen Golfs die Verantwortung dafür zuzuweisen. Teheran distanzierte sich ausdrücklich davon und warnte vor "Abenteurertum" in der Region.

Zu viele Unklarheiten

Darauf verweisen die IISS-Experten ausdrücklich: Es gebe zu viel Unklarheit, um sich ein klares Bild zu verschaffen. Immerhin würden alle Seiten "von kriegstreiberischer Propaganda absehen", analysiert Emile Hokayem. Der Nahost-Spezialist warnt zudem davor, der Selbstbezichtigung jemenitischer Huthi-Milizen für zwei Anschläge auf saudische Ölanlagen unbesehen Glauben zu schenken. Zwar haben die vom Iran geförderten Rebellen gegen die von Saudi-Arabien gestützte Regierung des Jemen bereits mehrfach Ziele im großen Nachbarland mit Drohnen und Raketen angegriffen. Ihre Effizienz steht aber in Zweifel.

Unter westlichen Alliierten bleibt umstritten, wie groß die militärische Bedrohung durch den Iran eigentlich ist. Bereits am Wochenende hat der britische Außenminister Jeremy Hunt beide Seiten davor gewarnt, "aus Versehen" eine bewaffnete Auseinandersetzung vom Zaun zu brechen. Am Mittwoch handelte sich der höchste im Nahen Osten stationierte Soldat Großbritanniens einen schriftlichen Tadel seiner US-Verbündeten ein, weil er gegen die offizielle Nachrichtenlinie des Pentagon verstoßen hatte.

Die Verlegung zusätzlicher Streitkräfte, darunter ein Flugzeugträger und seine Begleitflotte sowie Bombenflugzeuge vom Typ B-52, in die Region wurde von Washington mit "verstörenden Nachrichten und Warnungen" begründet. Analysten vermuteten den israelischen Geheimdienst Mossad als Quelle.

Von einer zusätzlichen Bedrohung durch den Iran und die mit ihm verbündeten Gruppen im Irak und Syrien könne keine Rede sein, teilte hingegen Generalmajor Christopher Ghika in einer Videokonferenz mit. Natürlich gebe es in beiden Staaten jede Menge Milizen, die mit dem Iran zusammenarbeiten, doch: "Wir erkennen von keiner einzigen derzeit eine erhöhte Bedrohung." Das mochte das US-Militär nicht auf sich sitzen lassen: Das US Central Command beharrte schriftlich auf "identifizierten glaubwürdigen Gefahren".

Zugang zum Persischen Golf

Brisant ist die Krise auf jeden Fall, geht es doch für alle Beteiligten stets auch um die Straße von Hormus, den Zugang zum Persischen Golf. Durch die Schifffahrtsstraße zwischen dem Iran und dem Oman wird ein Drittel des weltweiten Ölbedarfs abgewickelt. Die Meerenge weist an der engsten Stelle zwischen zwei Inseln eine Breite von lediglich 38 Kilometern auf.

Teheran hat bei früheren Streitigkeiten mit den USA immer wieder mit einer Sperrung der Straße gedroht. Nach den Genfer Seerechtskonventionen (1962/66) wäre das erlaubt, nach dem UN-Seerechtsübereinkommen (1994) nicht. Letzteres haben aber weder der Iran noch die USA ratifiziert.

Ob also das ACS-Jahrbuch im kommenden Jahr ein Kapitel zum Persischen Golf enthält? Mit solchen Prognosen will die ACS-Herausgeberin Francesca Grandi nichts zu tun haben, im Gegenteil: Die IISS-Experten hoffen darauf, dass einige der weltweit 33 (Vorjahr: 36) analysierten Kriege und Konflikte bald beigelegt werden können. (Sebastian Borger aus London, 15.5.2019)