Das Fernsehprogramm der Familie Fellner (Österreich, Oe24) wird in der Branche als (stärkster) Treiber der Novelle gehandelt.

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Wien – Die eineinhalb Seiten könnten Ihr Fernsehprogramm gründlich durcheinanderbringen: Kommende Woche endet die Begutachtungsfrist für eine kleine Gesetzesänderung für Privatfernsehen. Künftig soll die Medienbehörde die Plätze eins bis zehn in TV-Programmguides von Magenta oder A1TV vorgeben. Die Novelle sorgt in der Branche für Unruhe und Fragen.

Wer will das?

Zum Beispiel: Wer will diese Novelle überhaupt? Die großen Privatfernsehprogramme mit österreichischen Inhalten brauchen sie nicht: ATV, Puls 4 und Servus TV sind in Kabelnetzen weit vorn zu finden. Bei Magenta etwa (bisher UPC) in Wien, dem größten österreichischen Kabelnetz, liegt ATV hinter ORF 1 und ORF 2 in klassischer Qualität (SD) und in HD auf Platz drei, dahinter Puls 4 auf vier. Servus TV kommt in SD auf Platz sieben und in HD auf fünf.

Oe24.tv liegt in HD auf Platz 16 und in SD erst auf 28. Das Fernsehprogramm der Familie Fellner (Österreich, Oe24) wird denn auch in der Branche als (stärkster) Treiber der Novelle gehandelt.

Nützt laut Medienminister allen

Die Sprecherin von Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) verneint auf Anfrage, dass die Novelle vor allem Fellnerschen Interessen geschuldet sei. Die Maßnahme nütze "allen österreichischen Sendern", erklärt Iris Müller-Guttenbrunn: "Bei allen medienpolitischen Maßnahmen" gehe es dem Minister um mehr fairen Wettbewerb und darum, den österreichischen Medienmarkt zu stärken – gegen "Onlinegiganten" und gegenüber dem zehnmal größeren deutschen Markt. Hier gehe es um Präsenz als auch Sichtbarkeit österreichischer Inhalte und Programme". Aber: Etwa für Apple-TV und Programmierung von TV-Geräten dürfte der Entwurf nach einem ersten Befund von Rundfunkjuristen nicht gelten.

Bei Österreichs größtem privatem Free-TV-Konzern ProSiebenSat1Puls4 wirkt man nicht überschwänglich begeistert: "Grundsätzlich halten wir die Idee, heimische europäische Inhalte im Wettbewerb mit globalen Internetgiganten gut auffindbar zu machen, für richtig." Die Reihungsvorgaben sieht man skeptisch: "Wir glauben, dass durch US-Giganten derzeit noch unangetastete Bereiche, wie insbesondere Kabelnetze, keiner staatlichen Regelung bedürfen, da hier ein Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit der Netzbetreiber und die Usergewohnheiten nicht nötig ist."

Nach dem Gesetzesentwurf würden es Puls 4, ATV, Servus TV recht leicht unter die Top Ten schaffen – ProSieben Österreich eher nicht, auch nicht RTL oder Vox, die bisher auf Österreich-Inhalte verzichten.

Wolfgang Fellner antwortete bis Redaktionsschluss nicht auf STANDARD-Anfrage, wie er die Novelle sieht, ob sein Sender profitieren würde und ob er vorhat, aus Oe24 ein Vollprogramm zu machen. Bisher sieht die Novelle Vorreihung von Privatsendern nur vor, wenn es sich um Vollprogramme handelt. Mit der einen oder anderen günstigen Uraltserie ließe sich oe24.tv wohl zum Vollprogramm umdefinieren.

Warum jetzt?

Weitere Bedingungen im Entwurf, um von der Behörde vorgereiht zu werden: eine (auch nur regionale) Lizenz oder Präsenz im digitalen Antennenfernsehen (oe24.tv wird auf Simpli-TV terrestrisch weiterverbreitet); ein Programm für bundesweites Publikum. Vorgereiht wird nach Programmanteilen von Information, Eigen- oder Auftragsproduktionen und Sendungen "von kultureller, politischer oder gesellschaftspolitischer Relevanz für Österreich". Weniger Werbeanteil am Gesamtprogramm bringt auch Pluspunkte.

Regionalprogramme wie W24 oder Tirol TV könnte die Behörden mit solchen Vorreihungen von vorderen Plätzen etwa bei Magenta verdrängen.

Die Behörde entscheidet auch, welche ORF-Programme auf die Plätze 1 bis 10 gehören. Im – unwahrscheinlichen – Extremfall könnte das bedeuten: Der ORF hat vier bundesweite Kanäle und neun Regionalversionen von ORF 2. Schon damit wären die ersten zehn Plätze belegt.

Der Entwurf sieht auch umfassendere Must-Carry-Regeln für 24-Stunden-Vollprogramme mit zumindest 25 Prozent wöchentlichem Programm "von kultureller, politischer oder gesellschaftspolitischer Relevanz vor". Reklamieren sie sich in ein Kabelnetz, müssen die Netzbetreiber ihnen nicht die sonst üblichen urheberrechtlichen Vergütungen bezahlen.*

Auch der Zeitpunkt der Novelle überrascht: Noch heuer wird ein großes Medienpaket mit ORF-Gesetz und Umsetzung von EU-Regeln für Privatfunk erwartet. (fid, 16.5.2019)