Der Gasthof Bräu in Munderfing stand lange leer, heute sind darin Wohnungen, Seminarräume, ein Restaurant und ein Co-Working-Space untergebracht.

Foto: Gemeinde Munderfing

Wien ist voller Ausheimischer. Das sind Menschen, die aus ihren Heimatgemeinden auf dem Land zwecks Ausbildung und Beruf in die Großstadt gezogen sind, aber immer noch einen Bezug zu ihrer Heimat haben, seien es regelmäßige Besuche, Telefonanrufe oder ein Abo der lokalen Zeitung. Darin liegt Potenzial, sowohl die Kommunen als auch die Ausheimischen können davon profitieren, heißt es vom Verein Zukunftsorte. Seine Mitglieder sind die Gemeinden Bad Blumau in der Steiermark, Hinterstoder, Kronstorf und Munderfing in Oberösterreich, Kals am Großglockner in Tirol, Moosburg in Kärnten, Neckenmarkt und Raiding im Burgenland, Nenzing in Vorarlberg, Thalgau und Werfenweng in Salzburg sowie Waidhofen an der Ybbs in Niederösterreich.

In Kontakt bleiben

Man will Herausforderungen nicht auf sich zukommen lassen, sondern sie in überregionaler Zusammenarbeit aktiv gestalten, heißt es vom Obmann des Vereins, Josef Mathis. In Wien haben die Zukunftsorte ein sogenanntes Kommunalkonsulat eingerichtet. Ausheimische der teilnehmenden Gemeinden können sich treffen und von dort aus in Kontakt mit ihren Herkunftsorten bleiben.

Während in Politik und Medien oft auf die Konkurrenz von Stadt und Land hingewiesen werde, arbeite man bei den Zukunftsorten an "tragfähigen Austauschbeziehungen zwischen beiden Sphären", sagt Mathis.

Konkret werden Forscher, Impulsgeber und Unternehmer mit entsprechendem Know-how in die Gemeinden gelockt. Die Probleme, die die ländlichen Regionen beschäftigen, sollen gleichzeitig zum Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung in den urbanen Zentren werden, so Mathis. So gibt es etwa Stipendien für studentische Forschungsvorhaben mit Gemeindebezug. Die Ausheimischen sind die "personifizierte Verbindung zwischen Stadt und Land", heißt es von Zukunftsorte. Gemeinden sollten ihr Weggehen nicht als Verlust verstehen, sondern als Chance. "Ausheimische verfügen über Kenntnisse beider Welten und sind dank ihrer Bildungs- und Berufserfahrung eine unschätzbare Ressource", so der Verein.

Landläufiges Missverständnis

Und wie schaffen die Gemeinden die Verbindung zu den Ausheimischen? Zuallererst brauche es die richtige Einstellung, sagt Christof Isopp, Architekt, Stadtentwickler und Mitinitiator der Zukunftsorte. "Wenn Kommunen die Erfahrungen ihrer Ausheimischen nutzen wollen, dann müssen sie diese in Entwicklungsprozesse einbinden", so Isopp. Der Vorteil sei, dass Ausheimische viel häufiger Möglichkeiten und Chancen sehen, wo Eingesessene eher Schwierigkeiten und Grenzen identifizieren.

"Unsere Erfahrungen zeigen, dass die außergewöhnlichen Ideen in kommunalen Innovationsprozessen sehr oft von Ausheimischen stammen", meint Isopp und kritisiert ein landläufiges Missverständnis: Ausheimische verlassen ihre Heimatgemeinden nicht unbedingt, weil die Infrastruktur schlecht ist. Ob die ländliche Herkunftsgemeinde für Ausheimische wieder als Wohn- und Arbeitsort vorstellbar sei, hänge von dortigen Werten wie Weltoffenheit, Toleranz und Pluralität ab.

Zurück nach Hause

Am Ende geht es also auch darum, die Orte als Wohngemeinden attraktiv zu machen – sowohl für Ausheimische als auch, um Abwanderung entgegenzuwirken. Für die Initiativen der Zukunftsorte zahlen die Gemeinden einen Jahresbeitrag von je 4500 Euro.

Einer der Ausheimischen ist Leonhard Moser, aufgewachsen in Munderfing und für sein Studium ausgewandert nach Graz. Die Beziehung zu seiner Heimat hat Moser dennoch nie verloren, so war er etwa weiterhin bei der freiwilligen Feuerwehr aktiv. Nach Abschluss des Studiums gründete Moser ein Videoproduktions-Start-up. Währenddessen wurde in seiner Heimat Munderfing in einem Bürgerbeteiligungsverfahren über die Zukunft des Bräu, eines ehemaligen Gasthofs, entschieden – inspiriert von anderen Zukunftsorte-Projekten gegen Leerstand im Ortskern.

Das Ergebnis: Im Bräu entstand ein Co-Working-Space. Gerade rechtzeitig für Moser und sein Start-up, er zog zurück nach Munderfing und mit seinem Start-up ins Bräu ein. Seither nimmt er Aufträge der regional ansässigen Wirtschaft entgegen – eine Win-win-Situation für alle. (Bernadette Redl, 21.5.2019)