Wien – Den Wunsch von Elisabeth S., am 1. Februar zu nächtlicher Stunde im Schweden-Espresso über seine angeblichen sexistischen Bemerkungen zu diskutieren, ignorierte Erich F. noch. Der 63-jährige Pensionist unterhielt sich stattdessen mit dem Begleiter von S. – bis dieser ihm sein Bier austrank. "So was ist mir noch nie im Leben passiert! Das hat mich wütend gemacht, ich habe das als Provokation erlebt!", erklärt der wegen schwerer Körperverletzung angeklagte F. Richterin Patrizia Kobinger-Böhm.

Er sei mit einem Bekannten an einem Tisch in der Nähe der Bar gesessen, wo sich die 35 Jahre alte F. und ein Begleiter aufhielten. Die ihm unbekannte Frau habe ihm schon den "Stinkefinger" und die Zunge gezeigt, bevor sie sich an den Tisch dazusetzten. Erklären kann er sich das Verhalten nicht.

Mit Kopf auf Tischplatte gedrückt

Nach der Bierprovokation habe er den Begleiter der Frau zunächst am Ohr gezogen und mit dem Kopf auf die Tischplatte gedrückt. Irgendjemand habe nach der Polizei gerufen, er habe gesagt "Ich geh schon selbst zur Polizei!" und wollte die Lokalität verlassen. Da habe sich Frau S. vor ihm aufgebaut und gesagt: "An mir kommst ned vorbei." Bei einem Gerangel habe er sie an den Haaren gepackt und Richtung Tür bugsiert, die von anderen Gästen blockiert worden sei.

"Sie war die einzige Möglichkeit, dass ich aus dem Lokal komme", behauptet der Angeklagte. Vor der Tür habe er von hinten einen Tritt in die Kniekehle bekommen und sei gemeinsam mit der Frau gestürzt. "Ich habe genau gehört, wie sie am Boden aufgeprallt ist, das war furchtbar." Sofort hätten fünf bis sechs Männer auf ihn eingeprügelt und -getreten, er sei dann in die nahe Polizeiinspektion entkommen.

S., die bei dem Vorfall eine Gehirnerschütterung und eine Prellung des Unterkiefers erlitt und nach eigenen Angaben seit damals unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, bestreitet, F. im Vorfeld irgendwie provoziert zu haben. Sie sei nach der Donnerstagsdemo zu einer Geburtstagsfeier in das Lokal gekommen. "Die ersten Stunden war es eine lustige Feier", erinnert sie sich. Irgendwann habe sie bemerkt, dass F. sexistische und frauenfeindliche Bemerkungen über anwesende Frauen machten, und wollte ihn zur Rede stellen. Da der Pensionist nicht wollte, habe sie mit dessen Begleiter gesprochen.

Erinnerungsverlust wegen Gehirnerschütterung

Die Sache mit dem Bier habe sie nicht mitbekommen, plötzlich sei zwischen ihrem Begleiter und F. ein Streit entstanden, der körperlich wurde. Ab dann sei ihre Erinnerung bedingt durch das Schädelhirntrauma bruchstückhaft, sie sei erst zu Bewusstsein gekommen, als die Rettung da war.

Ein unbeteiligter Passant beteuert als Zeuge, gesehen zu haben, dass zunächst nur F. und Frau S. vor dem Lokal waren, der Pensionist sie an den Haaren gepackt hatte und zu Boden schleuderte. F. sei nicht zu Sturz gekommen.

Für ein Gutachten über die psychischen Folgen für Frau S. vertagt Kobinger-Böhm auf unbestimmte Zeit. (Michael Möseneder, 16.5.2019)