Die Einteilung in FSME-Risikogebiete wird zunehmend schwieriger. Oft verschwinden Risikogebiete, dafür tauchen an anderer Stelle neue auf", sagt Gerhard Dobler vom Nationalen Konsiliarlabor für FSME in München.

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Wien – Risikogebiete für Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ändern sich laufend. Für das 2019 zum Thema erschienene Standardwerk "The TBE-Book" wurde erstmals die weltweite Krankheitsverbreitung erfasst: In 36 Ländern konnte FSME bislang nachgewiesen werden – das Virus breitet sich zusehends aus.

"Was ich in den letzten Jahren gelernt habe, ist, dass wir die Verbreitung von FSME nicht vorhersagen können. Oft verschwinden Risikogebiete, dafür tauchen an anderer Stelle neue auf", sagt Gerhard Dobler vom Nationalen Konsiliarlabor für FSME in München. Detaillierten FSME-Verbreitungskarten stehe er deswegen skeptisch gegenüber. "Es ist schwer zu sagen, wo und ob man wirklich sicher ist. Sie können keine Grundlage für die Impfentscheidung darstellen", meint Dobler, der sich für eine universelle FSME-Impfung in Europa aussprach.

Weltweit werden jährlich zwischen 10.000 und 12.000 FSME-Fälle registriert. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen, da in vielen Ländern bis heute nicht systematisch auf FSME getestet wird. Ziehe man die für das Buch zusammengetragenen Daten heran, dann könne von einem "FSME-Gürtel" gesprochen werden, sagt Dobler. Dieser ziehe sich von Frankreich über Russland bis Japan. Im Süden sei bis Norditalien und Kroatien mit FSME zu rechnen, während im Norden Fälle bis nahe an den Polarkreis von Forschern registriert wurden.

Risikofaktor Ziegenmilch

Besonders stark betroffen ist Zentral- und Osteuropa. In Russland wurden 2018 insgesamt 1.692 Fälle registriert, in Tschechien waren es 712. Relativ hoch sind die Infektionszahlen mittlerweile auch wieder in Österreich mit 154 registrierten Fällen im Vorjahr. Auch in Ländern wie China, der Mongolei oder Korea, wo FSME bisher eher nicht vermutet wurde, konnte das Virus nachgewiesen werden. "Das spricht zunehmend für eine FSME-Reiseimpfung", sagt Michael Bröker, Mitherausgeber des "TBE-Books".

Bisher weitgehend unbekannt war, dass neben Zeckenbissen auch unpasteurisierte Milchprodukte ein Übertragungsweg für FSME darstellen können. Besonders Ziegenmilch gilt als gefährlich. "In der Slowakei sind beispielsweise bis zu 20 Prozent der FSME-Fälle auf Milch zurückzuführen", erklärt FSME-Experte Dobler.

Geringe Durchimpfungsraten

Michael Kunze vom Zentrum für Public Health an der Medizinischen Universität Wien verweist auf den unumgänglichen "beinahe hundertprozentigen Schutz" einer FSME-Impfung. "Es gibt kein Medikament gegen FSME und es ist auch keines in Aussicht", erklärt Kunze. Impfmüdigkeit will er der österreichischen Bevölkerung nicht unterstellen. Schließlich seien hierzulande knapp über 80 Prozent gegen das Virus geimpft, womit man weltweit führend sei.

In anderen europäischen Ländern ist die Durchimpfungsrate trotz teils hoher FSME-Fallzahlen weit niedriger. In Lettland sind 53 Prozent der Bevölkerung gegen FSME geimpft. In Estland jeder Dritte, in Tschechien nur rund 20 Prozent. Werden allerdings nur die korrekt durchgeführten Auffrischungsimpfungen berücksichtigt, sinkt die Durchimpfungsrate auch in Österreich deutlich. (APA, 17.5.2019)