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Dem Staat fehle bald das Geld, Löhne und Pensionen zu bezahlen, wird befürchtet.

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Ankara – Die türkische Regierung ist in der Zwickmühle. Einerseits braucht sie Kapital, um Haushaltslöcher zu stopfen und die Konjunktur zu stimulieren. Der türkische Etat ist nämlich durch die Wirtschaftskrise stark strapaziert: Im ersten Quartal wies er laut Finanzministerium ein Defizit von 36,2 Milliarden Lira aus, bis Jahresende soll es auf 80,6 Milliarden steigen. Andererseits wäre Haushaltsdisziplin und Verlangsamung der Wirtschaft nötig, um Inflation und Währungsverfall zu bremsen. Die Unabhängigkeit der Zentralbank droht in diesem Dilemma, unter die Räder zu geraten.

Anonymen Quellen zufolge soll die Regierung 40 Milliarden Lira (sechs Mrd. Euro), von der Zentralbank genommen haben. Das Geld diente als eiserne Reserve und soll nun Haushaltslöcher stopfen. Durmus Yilmaz, Ex-Chef der türkischem Zentralbank, sagte dem Nachrichtenportal T24: "Das löst keine wirtschaftlichen Probleme, es ist das Problem." Die Unabhängigkeit der Zentralbank sei bereits schwer angeschlagen, eine solche Transaktion mache es schlimmer.

Stützung der Lira

Tatsächlich könnte die Zentralbank das Geld bald dringend brauchen. In den vergangenen Monaten griff sie wiederholt am Finanzmarkt ein, um die Lira zu stützen. Ihre Reserven sind mittlerweile auf 14 Milliarden Dollar geschmolzen. Viel Munition haben die Währungshüter nicht mehr, sollte es zu einem abermaligen Preisrutsch kommen. Die Risiken sind hoch: Für den Fall, dass Ankara, wie angekündigt, das Geschäft mit Moskau über das Raketenabwehrsystem S-400 im Juli abwickelt, drohen die USA mit Sanktionen. In Washington fürchtet man, russische Militärs könnten so Einblick in Nato-Waffensystem bekommen. Als es im vergangenen Sommer zum Konflikt mit den USA gekommen war, stürzte die Lira regelrecht ab und konnte sich erst Monate später halbwegs stabilisieren. Eine schwache Währung aber setzt eine Abwärtsspirale in Gang: Zahlreiche türkische Unternehmen sind mit insgesamt 300 Milliarden Dollar verschuldet. Fällt die Lira, steigt die Zinslast der Firmen.

Mehr Insolvenzen

Die gestiegenen Kosten führen zu mehr Insolvenzen, die Zahl der faulen Kredite bei den türkischen Banken wächst. Noch liegt die Rate bei 4,1 Prozent. Der Wert könnte schnell steigen, sollte die Lira weiter fallen.

Zusätzlich treiben gestiegene Importpreise die Inflation. Die wiederum sorgt für Unmut bei den Wählern. Gerade erst hat die türkische Regierung die Bürgermeisterwahlen in Istanbul für ungültig erklärt. Sie sollen am 23. Juni wiederholt werden. Eine Wirtschaftskrise kommt da reichlich ungelegen. Für Finanzminister Berat Albayrak ist "Licht am Ende des Tunnels bereits erkennbar". Viele sehen das anders. Murat Muratoglu, Kommentator der regierungskritischen Sözcu, wertete den Transfer der Zentralbank-Reserven als Zeichen, dass die Notenpresse angeworfen werde. Dem Staat fehle bald das Geld, Löhne und Pensionen von Angestellten zu bezahlen. (pmat, 17.5.2019)