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In Interviews und einem Buch hatte Doris Wagner angegeben, Pater Geißler habe sie als ihr Beichtvater im November 2009 während der Beichte angefasst und ihr sexuelle Avancen gemacht.

Foto: AP/Alessandra Tarantino

Vatikanstadt – Ein von der früheren deutschen Ordensfrau Doris Wagner des sexuellen Übergriffs beschuldigter Tiroler Priester ist vom höchsten Vatikan-Gericht freigesprochen worden. Es handelt sich um einen Ex-Abteilungsleiter der Glaubenskongregation, dem ein weibliches Mitglied des Ordens "Das Werk" einen kirchenrechtlich strafbaren Übergriff vorgeworfen hatte, berichtet die "Herder Korrespondenz" laut Kathpress.

Eine Jury aus fünf Richtern am Vatikan-Gericht sah es nun als nicht erwiesen an, dass der österreichische Ordenspriester der Gemeinschaft "Das Werk", Pater Hermann Geißler, Wagner in einer nach kirchlichem Recht strafbaren Weise bedrängt hat. Eine "Straftat der Verführung zur Übertretung des Sechsten Gebotes" durch Geißler "steht nicht fest" ("non constare"), heißt es in einem auf Latein verfassten Bescheid des Gerichts vom 15. Mai, aus dem die "Herder Korrespondenz" zitiert. Eine Strafe komme daher nicht infrage. Unterzeichnet ist der Bescheid vom Präfekten der Signatur, Kardinal Dominique Mamberti, sowie vom Sekretär, Bischof Giuseppe Sciacca.

Wagner selbst betonte in einer Reaktion auf Twitter, dass es sich nicht um einen "Freispruch" sondern den Beschluss handle, nach den Vorermittlungen keinen Prozess zu eröffnen. Sie kritisiert, dass sie im Rahmen der Ermittlungen nicht vernommen wurde.

Avancen während der Beichte?

In Interviews und einem Buch hatte Wagner angegeben, Geißler habe sie als ihr Beichtvater im November 2009 während der Beichte angefasst und ihr sexuelle Avancen gemacht. In späteren Interviews ergänzte sie, Geißler habe sie in der betreffenden Situation auch festgehalten und sie zu küssen versucht. Sie sei in Panik geraten und fortgerannt. Im Jänner 2019 kündigte der Vatikan eine Untersuchung des Vorfalls an. Geißler trat als Abteilungsleiter der Glaubenskongregation zurück.

Gegenüber der "Herder Korrespondenz" äußerte sich Geißler nun erstmals öffentlich zu dem Vorgang. Er stellt die Abläufe anders dar. "Nach der fraglichen Beichte im November 2009 ist es zu einem vertraulichen Gespräch mit Frau Wagner gekommen, bei dem ich in empathischer und mitfühlender Weise, jedoch immer in der Sie-Form meine Wertschätzung für sie zum Ausdruck gebracht habe", so Geißler. "Gleichzeitig habe ich bekräftigt, dass die gegenseitige Verbundenheit übernatürlich sein muss." Beim Hinausgehen, so Geißler, "habe ich ihr – nicht mehr im Beichtzimmer, sondern im Vorzimmer – die Hand gegeben und mit meiner rechten Wange ihre rechte Wange berührt, als Geste der Zuneigung und der brüderlichen Verbundenheit".

"Nicht in den Statuten"

Laut "Herder Korrespondenz" hatte der Heilige Stuhl nach Wagners Hinweisen auf autoritäre Strukturen im "Werk" bereits 2013/14 eine Apostolische Visitation bei der geistlichen Gemeinschaft durchgeführt. Dabei sei Handlungsbedarf festgestellt worden. Im italienischen Abschlussdekret der Kongregation vom Oktober 2016 heiße es, der "Schutz der Gewissensfreiheit, insbesondere in der Phase der Ausbildung", genüge im "Werk" "offenbar nicht den Statuten des Kirchenrechts".

In der für das "Werk" charakteristischen Praxis des engen Zusammenlebens von Männer- und Frauengemeinschaften habe sich außerdem die Notwendigkeit gezeigt, "die 'living conditions' besser und angemessener zu regeln". Als Konsequenz wurde unter anderem die Einführung eines "Generalkapitels" verlangt, das erstmals noch 2019 unter dem Franziskanerpater Johannes Freyer stattfinden soll. (APA, 16.5.2019)