Wien – Es ist so weit: Nach 130 Jahren geht eine metrologische Ära zu Ende – das Urkilogramm hat mit Montag (20. Mai) ausgedient und wird von einer neuen Bezugsgröße abgelöst. Da dies zugleich der Weltmetrologietag ist, lädt das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV) zum Tag der offenen Tür, bei dem auch das neue heimische Kilo-Maß – eine Siliciumkugel – gezeigt wird.

Hintergrund

Am 16. November 2018 wurde bei der Generalkonferenz für Maß und Gewicht in Paris beschlossen, das Internationale Einheitensystem (SI) zu reformieren. Der Gedanke dahinter war es, alle sieben SI-Einheiten, also neben dem Kilogramm auch die Basiseinheiten Sekunde, Meter, Ampere (Stromstärke), Kelvin (Temperatur), Mol (Stoffmenge) und Candela (Lichtstärke) mittels Naturkonstanten zu definieren.

Das gilt im Bereich der Zeitmessung schon seit 1967, als die gemeinhin als "Atomsekunde" bezeichnete neue Einheit eingeführt wurde. Sie bezieht sich auf die Energiestruktur eines Cäsiumatoms. Auch der "Ur-Meter", eine Art Metallstab, wurde durch eine Definition ersetzt, die auf der Lichtgeschwindigkeit beruht. Andere Referenzeinheiten mussten etwas länger warten – darunter auch das berühmte "Urkilogramm", das in Paris als Zylinder aus Platin-Iridium sorgsam aufbewahrt wurde und weltweit in einer Reihe von Kopien vorlag.

Es haperte mit der Verlässlichkeit

Im Fall des Kilogramms wurde die nunmehrige Orientierung am Planckschen Wirkungsquantum notwendig, da sich das Urkilogramm und seine Kopien, wie der österreichische Kilogramm-Prototyp aus Platin-Iridium des BEV, zum Teil in ihrer Masse im Millionstel Gramm-Bereich unterscheiden. Das seit Ende des 19. Jahrhunderts in einem Tresor in der Nähe von Paris verwahrte Urkilogramm hatte in den vergangenen Jahrzehnten auch an Masse verloren. Für den Hausgebrauch spielt das zwar keine Rolle, für wissenschaftliche Anwendungen und in der Hochtechnologie sind solch minimale Abweichungen aber mitunter bedeutsam.

Nach der neuen Definition kann das Kilogramm entweder mit einer sogenannten Watt- oder Kibble-Waage oder über eine Siliciumkugel realisiert werden, wie das BEV und das für die Umsetzung des neuen Einheitensystem verantwortliche Wirtschaftsministerium in einer Aussendung mitteilten. Im Rahmen des Tages der offenen Tür werde etwa die Funktion einer Kibble-Waage am Beispiel eines Lego-Modells demonstriert.

Einblicke in die Metrologie

Am BEV in Wien-Ottakring können Besucher einerseits den ab Montag quasi seines Amtes enthobenen bisherigen nationalen Kilogramm-Prototyp, aber auch seinen Silicium-Nachfolger besichtigen. In den geöffneten Labors zeigt man neben einer Atomuhr unter anderem Belastungstests von Seilen für Seilbahnen oder Festigkeitsuntersuchungen von Beton.

Außerdem wird dargestellt, wie ein Meter in einem sogenannten optischen Femtosekunden-Kammgenerator gemessen wird. Seit 1983 wird er als jene Streckenlänge definiert, die Licht im leeren Raum während einer Dauer von ungefähr einer Dreimillionstel Sekunde durchläuft. Das Wiener Bundesamt war im Jahr 2001 einer der Vorreiter im Betrieb eines solchen Kammgenerators.

Damit dieses Maß auch nicht nur ein winziges Stück abweicht, überprüfen das BEV und vier weitere nationale Stellen (in Finnland, Japan, Großbritannien und Kanada) in einer international konzertierten Zusammenarbeit das Längenmaß immer wieder. Seit dem Jahr 2007 erfolgen Koordination, Auswertung und Veröffentlichung der Vergleichsmessungen von Wien aus. (APA, red, 19. 5. 2019)