Donald Trump erklärt in Washington seine Pläne zur Einwanderungsreform.

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Donald Trump beschwört die "radikale Modernisierung" eines hoffnungslos veralteten Systems, seine Gegner sprechen dagegen von einem Rohrkrepierer. Nach den Vorstellungen des amerikanischen Präsidenten sollen sich die USA ein Beispiel an Kanada und Australien nehmen und vorrangig hochqualifizierte Einwanderer ins Land lassen. Für Kritiker ist es ein Verrat an Prinzipien, wie sie die New Yorker Freiheitsstatue symbolisiert.

Jährlich vergeben die Vereinigten Staaten 1,1 Millionen Greencards, unbefristete Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen. Dabei soll es bleiben, ändern sollen sich allerdings die Kriterien, nach denen die begehrten Papiere verteilt werden. Fallen heute rund zwei Drittel aller legal einreisenden Migranten unter die Kategorie Familiennachzug, so soll es in Zukunft nur noch ein Drittel sein.

Leistung und Talent first

Der Anteil derer, die aufgrund von Leistung, Ausbildung oder besonderem Talent eine Greencard erhalten, soll dagegen von derzeit zwölf auf 57 Prozent steigen. Bevorzugt werden Fachkräfte und Absolventen mit Uni-Abschluss.

Wer obendrein jung ist, fließend Englisch spricht und ein Stellenangebot eines US-Unternehmens vorweisen kann, soll Vorfahrt haben. Um dies zu garantieren, will das Weiße Haus ein leistungsorientiertes Punktesystem nach kanadischem Vorbild einführen. Trump zufolge soll auf diese Weise verhindert werden, dass geringqualifizierte Arbeitskräfte Amerikanern die Jobs wegnehmen.

Trump vergisst Menschen ohne Papiere

Einerseits relativiert der Präsident damit die Abschottungsparolen, mit denen er das nationalistische Fieber seiner Anhänger lange Zeit schürte. Hatte er einst gefordert, die Zahl jährlich ausgestellter Greencards zu halbieren, so will er sie nunmehr auf dem heutigen Niveau festschreiben. Unter dem Einfluss seines eher weltoffenen Schwiegersohns Jared Kushner, des Architekten des Plans, lässt er so etwas wie Lerneffekte erkennen.

Andererseits klammert er einen Punkt aus, ohne dessen Lösung jedes Einwanderungskonzept Stückwerk bleibt. Schätzungsweise elf Millionen Menschen leben ohne gültige Papiere im juristischen Schwebezustand, viele schon seit Jahren, viele mit Kindern, die in den USA geboren wurden und von denen sie getrennt würden, sollten sie abgeschoben werden. Wie den "illegal aliens" der Weg aus der Grauzone geebnet werden soll, darauf geht Trump mit keinem Wort ein.

Die Worte der Dichterin Emma Lazarus auf dem Sockel der Freiheitsstatue laden die "Heimatlosen" ein, nach Amerika zu kommen.
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Gegen das Credo der Freiheitsstatue

Nicht nur deshalb hagelt es Widerspruch. Was der Präsident vorschlägt, reibt sich nach Ansicht seiner Widersacher zu sehr am amerikanischen Credo, als dass man es gutheißen könnte. Am Credo einer Republik, die sich in manchen Phasen ihrer Geschichte als Zufluchtsort für Verfolgte verstand, auch wenn es Phasen gab, etwa in den 1930er-Jahren, in denen sie dies vergessen zu haben schien. An einem Credo, das die Worte der Dichterin Emma Lazarus auf dem Sockel der Freiheitsstatue prägnant zusammenfassen: "Gebt mit eure Müden, eure Armen … Schickt sie mir, die Heimatlosen, vom Sturm Getriebenen."

Angesichts der amerikanischen Erfahrungen von Leistungskriterien zu reden, das habe etwas zutiefst Herablassendes, protestiert Nancy Pelosi, die Vorsitzende des Abgeordnetenhauses. "Will man damit sagen, die meisten Menschen, die in die Vereinigten Staaten kamen, waren nichts wert, nur weil sie kein Ingenieursdiplom in der Tasche hatten?"

Trumps Großvater wäre wohl gescheitert an den Hürden des Punktekatalogs, den sein Enkel so großartig finde, sagt Richard Blumenthal, ein demokratischer Senator. Friedrich Drumpf, geboren in Kallstadt, war 16 Jahre alt, ein Friseur ohne tatsächliche Ausbildung, als er 1885 in New York von Bord eines Atlantikdampfers ging.

Ein Versuch der Trendumkehr

Im historischen Kontext betrachtet ist Donald Trumps Blaupause der Versuch, einen Trend umzukehren, der seit gut fünf Jahrzehnten die Einwanderungspolitik bestimmt. 1965 verabschiedete der Kongress den Immigration and Nationality Act, womit er eine dahin geltende Quotenregelung, die Migranten aus West- und Nordeuropa bevorzugte, außer Kraft setzte.

Konservative Politiker, die einen zu starken Zuzug aus anderen Weltgegenden fürchteten, drängten darauf, den Familiennachzug an die erste Stelle der neuen Prioritätenliste zu setzen. Auf diese Weise, hofften sie, würden die Verwandten jener Europäer, die bereits im Land lebten, das Gros künftiger Einwanderer stellen.

In der Praxis kam es völlig anders. Statt der Europäer waren es Asiaten, Afrikaner und Lateinamerikaner, denen das Ende des Quotensystems und mit der Zeit auch der Familiennachzug das Tor in die USA öffneten. Im Jahr 2010 waren es zu 90 Prozent Nichteuropäer, die zwischen Miami und Seattle ein neues Leben begannen. (Frank Herrmann aus Washington, 17.5.2019)