Es ist ein uralter Wahlkampftrick: Wer Wähler mobilisieren will, der sucht sich einen äußeren Feind und spielt die nationalistische Karte. Das weiß Italiens Vizepremier Matteo Salvini. Er verkündet lautstark, er werde das Joch der EU-Defizitregeln abschütteln, weil sie italienische Familien arm machen. Darüber empört sich Bundeskanzler Sebastian Kurz, der sogleich erneut strengere Sanktionen für Defizitsünder fordert. Seither fliegen zwischen Wien und Rom die Fetzen, zur Freude der Wahlkampfstrategen in beiden Hauptstädten.

In der Sache hat keiner der Streithähne recht. Es stimmt, dass Italiens Wirtschaft in einer tiefen Krise steckt, die durch mehr Schulden nicht gemildert wird – im Gegenteil. Dazu kommt, dass Salvini offen zum Bruch der EU-Verpflichtungen aufruft, was ein gefährlicher Präzedenzfall wäre.

Reines Wahlkampfgeplänkel

Aber strenge Strafen gegen Defizitsünder gibt es auf dem Papier schon seit der Geburt des Euro. Und gerade weil sie so streng sind, werden sie in der Praxis nie umgesetzt. Welchen Sinn hat es denn, einem überschuldeten Land weitere Milliardenzahlungen aufzubürden? Das wissen auch Kurz und sein Finanzminister Hartwig Löger. Ihr Reformvorstoß für die EU-Verträge erweist sich allein schon dadurch als reines Wahlkampfgeplänkel.

Das gilt auch für die verbalen Muskelspiele von Salvini und Italiens Finanzminister Giovanni Tria. Auch sie kennen die Grenzen für Italiens Neuverschuldung. Die werden weniger in Brüssel gesetzt als an den Finanzmärkten, wo die Zinsen sofort steigen, wenn die Regierung in Rom sich allzu wild gebärdet. Die Gefahr, dass Italien tatsächlich jede Budgetdisziplin über Bord wirft und die Rechnung an Österreichs Steuerzahler geht, ist gering.

Italien ist kein zweites Griechenland. Aber seine Probleme sind zu tief, als dass man sie für politischen Opportunismus missbrauchen dürfte. (Eric Frey, 17.5.2019)